Die Klimaerwärmung schreitet ja schon viel länger voran, schon seit den 80er Jahren gab es Studien und Langfristprognosen über die Erderwärmung. Es wurde vor den gravierenden Folgen gewarnt. Das Jahr 2019 wird die Wende markieren, die Überschreitung des berüchtigten Kipp-Punkts, ab dem die positive Rückkopplung aller Klimaerwärmungseffekte unaufhaltsam ist.
Das Eine sind die hausgemachten Brandbeschleuniger:
Am 08. Juli 2019 betrug der atmosphärische Kohlendioxidgehalt knapp 414 ppm, ein neuer Rekordwert für die Erde.
Der Grund für den rapiden Anstieg ist bekannt: Die industrielle Revolution, inklusive Verkehr und Kohlekraftwerke, also wir.
Gleichzeitig tun wir alles dafür, bestehende Kohlendioxidspeicher zu reduzieren, der über 500 Millionen Hektar umfassende Regenwald wird weiter abgeholzt, zudem kommt es dort zu einem verstärkten Baumsterben. Weltweit werden rund 2,4 Mrd. Kubiktonnen CO2 vom Wald aufgenommen, ein Viertel davon vom Amazonas-Regenwald (Quelle: https://www.sciencemag.org/news/2015/03/amazon-rainforest-ability-soak-carbon-dioxide-falling). Dazu kommt die Flächenversiegelung und Erosion durch Bau- und Landwirtschaft.
Das ist jetzt alles nichts Neues, jedenfalls für die meisten von uns, die eine Schulbildung genossen und ab und zu mal Dokumentationen im Fernsehen angesehen haben.
Jetzt wirken aber nicht nur die hausgemachten Sünden, sondern Rückkopplungseffekte – die wichtigsten sind …
- Schmelzen der Polkappen und Inlandeis
- Auftauen vom Permafrost
- Großflächige Waldbrände
- Erwärmung der Ozeane
- Trockenheit und Dürreperioden
1) Schmelzen der Polkappen und Inlandeis
Durch den Rückgang von Schnee und Eis in den Polregionen sinkt die Fläche an hoher Albedo, mit der die Sonnenenergie ins All reflektiert wird (grob gesagt). Helle Flächen reflektieren mehr, dunkle Flächen absorbieren mehr Energie (Wärme). Dadurch kann die starke Erwärmung nicht kompensiert werden.
Der starke Rückgang ist wissenschaftlich bestätigt und kann in nahezu Echtzeitdaten von jedem Internetnutzer eingesehen werden:
Arktis
Antarktis
Weitere Folgen:
- Anstieg des Meeresspiegels (auch durch die Erwärmung und Ausdehnung des Wassers)
- Schwächung des Golfstroms durch den starken Eintrag von Süßwasser in die Salzwasser-Zirkulation
- Abschwächung der horizontalen Temperaturgegensätze zwischen Arktis und Äquator, welche die Jetstreams steuern, die die Nordhalbkugel umspannen
Bei starken Temperaturunterschieden sieht der Jetstream so aus wie über Russland, er verläuft relativ geradlinig und wird durch Ozean/Land/Gebirge (z.b. Rocky Mountains, Ural) und Tiefdruckentwicklungen im Jetbereich ausgelenkt. Die entstehenden Rossby-Wellen sind mal flacher, mal steiler von der Amplitude (vgl. Japan und Alaska). Große Auslenkungen (wie an der US-Ostküste oder über Europa) führen zu großräumigen Luftmassentransporten – im Sommerhalbjahr bedeutet das, dass die subtropische Hitze aus Nordafrika bis nach Mitteleuropa gelangen kann. Die letzten Jahre zeigen, dass …
- diese Wetterlagen häufiger werden, damit steigt die Anzahl der Tage mit großer Hitze
- diese Wetterlagen länger bestehen bleiben (das großräumige Strömungsmuster bleibt gleich), damit ergeben sich andauernde Hitzewellen und mit steigendem Ausgangsniveau (steigende Frühwerte) steigt das Potential für absolute Hitzerekorde
- die Wetterlagen extremer werden, die Auslenkung reicht weit nach Süden bzw. Norden, so werden ungewöhnlich warme Luftmassen auch in Nordeuropa, auf Spitzbergen und selbst in Grönland beobachtet. Die Gegenbewegungen mit Kaltluft fallen kaum ins Gewicht (Mai 2019) und unterbrechen nur kurzzeitig die Serie rekordwarmer Monate.
- Stationäre Wetterlagen mit Tiefdruckeinfluss bringen anhaltend lokalen Starkregen (vgl. Juni/Juli 2016)/großräumige Überflutungen (vgl. Juni 2013)
Mehr dazu im letzten Absatz der Tagesschau-Meldung.
2) Auftauen des Permafrosts
In Europa ist der deutlichste Indikator dafür der Rückgang der Gletscher. Innerhalb von 6 Wochen sind über 700cm Schneedecke am Säntis durch die anhaltende Hitze abgeschmolzen. Das zeigt eindrucksvoll, dass der schneereichste Winter nichts nützt, wenn die Sommer zu heiß ausfallen. Abschmelzende Gletscher mit den Folgen für Almwirtschaft, Wasserkraft und zunehmende Steinschlaggefahr sind das Eine, viel gravierender ist aber, wenn der Permafrost in Kanada und Sibirien auftaut. Dadurch werden riesige Mengen an Methangas frei – Hintergrund zu deren Entstehung in einem Artikel von 2014 – welches ein viel effektiveres Treibhausgas als Kohlendioxid ist.
Außerdem kann durch das Wachstum von Vegetation in Gebieten mit bisherigem Permafrost auch potentiell mehr Biomasse durch Brände vernichtet werden.
3) Großflächige Waldbrände
In Kanada, Sibirien und Alaska gibt es Waldbrände mit nie gesehenem Ausmaß. Der Kohlendioxidausstoß übertraf schon bisher die Jahreswerte für Schweden. In Russland stehen 2 Mio. Hektar Wald in Flammen. Zwar können die dabei freigesetzten Aerosole und Rußpartikel kurzzeitig die Sonneneinstrahlung abschatten und für Abkühlung sorgen, mittel- und langfristig überwiegen aber negative Effekte. Ein differenzierter Artikel aus dem Vorjahr fasst die Folgen zusammen. Offensichtlich ist die massive Freisetzung von CO2 und gleichzeitige Vernichtung von Wald, der zusätzlich CO2 speichern könnte. Die dunklen Rußpartikel legen sich auf Schnee- und Gletscherflächen und beschleunigen das Abschmelzen, die verbrannten dunklen Flächen verstärken die Absorption der Sonneneinstrahlung.
4) Erwärmung der Ozeane
Neben der Ausdehnung des Wassers und steigenden Meeresspiegel kann warmes Wasser auch weniger Kohlendioxid speichern als kaltes Wasser. CO2 versauert zudem die Ozeane, was Korallen und Kleinstlebewesen (Plankton) zum Verhängnis wird, die am Anfang der Nahreskette stehen (mehr dazu hier). Das steigende Algenwachstum entzieht den Fischen Sauerstoff.
5) Trockenheit und Dürreperioden
Trockene Vegetation brennt naturgemäß besser als feuchte Wiesen und Wälder. Mecklenburg-Vorpommern hat erst den größten Waldbrand in seiner Geschichte gesehen.
Die Trockenheit begünstigt Waldbrände, und die Borkenkäfer haben leichtes Spiel. Außerdem kann sich die Luft über sehr trockenen Böden effektiver erwärmen als über nassen Böden, da nur ein geringer oder gar kein Anteil in die Verdunstung fließt und der Großteil für den fühlbaren Wärmestrom (Lufttemperatur) zur Verfügung steht.
Trockenheit sorgt auch für Missernten, Schädlingsausbreitung bis hin zu eingeschleppten gefährlichen tropischen Riesenzecken.
Zusammenfassung
Die Zeiten des Konjunktivs sind vorbei. Der Kipp-Punkt wird jetzt überschritten. Der Welt droht eine Heißzeit. Vernünftige Menschen wissen, dass man jetzt handeln muss, um die Folgen abzufedern. Greta Thunberg hat das erkannt – die FridaysforFuture-Bewegung mahnt rasches Handeln ein. Thunberg sagte in ihrer berühmten Rede, „i want you to panic!“ – Wenn man sich die letzten Rekorde betrachtet, alleine vom 25.Juli 2019:
- Lingen (Niedersachsen) 42,6 (Station steht zweifelhaft)
- Tönisvorst (NRW) 41,2
- Duisberg-Baerl (NRW) 41,2
- Essen 40,0 (NRW, zuvor 36,6 am 8.8.2003)
- Paris 42,6 (zuvor 40,4, 1947, Messreihe seit 1873)
- Lille 40,5 (zuvor 37,6 am 27.07.2018)
- Gilze-Rijen (NL) 40,7
- Beitem (B) 40,7
und außerdem …
- Frankreich 46,0 (28.6.19)
- Vietnam 43,4 (2019)
- Kuba 39,1 (2019)
- Japan 41,1 (2018)
- Algerien 51,3 (2018)
- Iran 54,0 (2017)
- Oman 50,8 (2017)
- Chile 44,9 (2017)
- Irak 53,9 (2016)
- Indien 51,0 (2016)
Dann kommt jetzt vielleicht so etwas wie Panik auf. Denn die Hitzerekorde von 2019 sind nicht Zehntel über den vorherigen wie die letzten 30 bis 50 Jahre, sondern gleich ein ganzes Grad darüber! Von 1983 bis 2019 lag der Hitzerekord in Deutschland um 40,2°C – jetzt sind es 41,2 bzw. 42,6, wenn man die verstrahlte Lingen-Station hernimmt.
Nur: Mit individuellen Maßnahmen ist es nicht getan. Es wird das Klima nicht retten, wenn jetzt ein paar tausend Menschen Papiersackerl statt Plastiksackerl benutzen und auf Flugreisen verzichten. Die Maßnahmen müssen gesetzlich vorgegeben werden. So wie nur eine europaweite Kerosinsteuer bei gleichzeitiger Bevorteilung des Bahnverkehrs und gleichzeitigem massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs/der notwendigen Infrastruktur bzw. Sanierung maroder Strecken nachhaltig etwas nützen wird. Flugscham klingt en vogue, aber ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, fürs individuelle Wohlbefinden, aber nutzlos im großen Ganzen. Damit diese Maßnahmen umgesetzt werden können, braucht es mehr Experten- und weniger Politikerregierungen. Karrieredenken und Ideologien sind fehl am Platz. Es geht nicht nur darum, Wahlen zu gewinnen, sondern um die Zukunft der Menschheit. Klingt dramatisch und ist auch so. Spätestens bei der nächsten Hitzewelle wird man sich wieder an die Panik erinnern.
Ein Letztes zur Benennung: Ob Klimakatastrophe, Klimakrise, Klimawandel (im Englischen klingt Climate Change viel dramatischer …) oder Klimaerwärmung – wie es benannt wird, ist mir persönlich egal – die Folgen müssen so dramatisch dargestellt werden, wie sie sind. Und auch im Kontext der Klimakatastrophe bleiben die meisten Unwetterereignisse wie Starkregen und Großhagel bei Gewittern normal im klimatologischen Sinn. Panik ist nicht gleichbedeutend mit Paranoia. Wetterereignisse richtig einzuordnen – dazu sind Meteorologen und Klimatologen da.
PS: Der Artikel wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Manche Zusammenhänge musste ich aus Platz- und Verständnisgründen vereinfachen.