„eine geringe Luftfeuchtigkeit lässt in den Bergen den Schnee auch bei Plusgraden nur langsam schmelzen“
(Ö1-Mittagjournal Wetter, gehört am 16.02.2019)
Natürlich ist das mit der relativen Luftfeuchte sehr anschaulich, aber strenggenommen ist es die Erklärung so nur halbrichtig. Denn es macht einen großen Unterschied für die Art der Schneedeckenreduktion, wie hoch die Plusgrade dabei sind. In der Meteorologie unterscheidet man dabei zwischen tauen, schmelzen und sublimieren.
Zustandsgrößen
Der Taupunkt ist jene Temperatur, auf die die Lufttemperatur abkühlen muss, um 100 % relative Luftfeuchte zu erreichen. Je kleiner die Differenz zwischen Temperatur und Taupunkt, desto höher die relative Feuchte.
Die Feuchttemperatur liegt in etwa in der Mitte zwischen Temperatur und Taupunkt. Fällt Niederschlag in trockene Luft, so erhöht sich durch Verdunstung die relative Feuchte, d.h. der Taupunkt steigt und die Temperatur sinkt. Beide Größen nähern sich dabei der Feuchttemperatur an, die konstant bleibt und sich nur ändert, wenn die Luftmasse selbst ausgetauscht wird.
Bei 100 % relativer Feuchte gilt: Temperatur = Feuchttemperatur = Taupunkt.
Für die Frage, ob die Schneedecke taut, schmilzt oder sublimiert, gilt damit folgender Zusammenhang:
Sublimation
Frisch gefallener Schnee an einem Wintermorgen. Über Nacht hat es aufgeklart und die Temperatur liegt im Frostbereich. Tagsüber werden mit der Sonneneinstrahlung knappe Plusgrade erreicht. Eine andere Möglichkeit ist ein kräftiges Hochdruckgebiet mit milder und gleichzeitig extrem trockener Luft wie um den 16. Februar 2019 herum.
Taupunkt und Feuchttemperatur bleiben in beiden Fällen negativ. Dann sublimiert der Schnee, er geht direkt von der festen Phase (Eis) in die gasförmige Phase (Wasserdampf) über. Durch diesen Prozess nimmt die Schneedecke kaum ab und der Schnee bleibt pulvrig (trocken).
Schmelzen
Die Erwärmung in allen Höhenlagen setzt sich fort. Die Luftmasse wird insgesamt wärmer, womit die Feuchttemperatur den Gefrierpunkt überschreitet. Nur der Taupunkt bleibt noch negativ. Nun schmilzt der Schnee, er geht sowohl in die flüssige als auch in die gasförmige Phase über. Der Übergang in die flüssige Phase lässt die Bindungen zwischen den Eiskristallen aufbrechen und die Masse der Schneedecke nimmt schneller ab. Das ist derzeit insbesondere in den schneebedeckten Regionen in tiefen Lagen der Fall, wo tagsüber zweistellige Plusgrade erreicht werden, aber die relative Feuchte nicht unter 40% sinkt. In höheren Lagen bleibt die Feuchttemperatur mit Feuchten unter 30% weiterhin unter Null und Sublimation dominiert.
Tauen
Geht die Erwärmung noch weiter und die Nächte bleiben frostfrei, steigt der Taupunkt ebenfalls über die Nullgradmarke. Der Schnee beginnt zu tauen, er geht ausschließlich von der festen in die flüssige Phase über. Die Schneedecke rinnt wie Butter dahin.
Ein anderer Fall ist der Aufzug einer Warmfront. Anfangs fällt Schnee, insbesondere, wenn die Luft zuvor sehr trocken ist. Manchmal regnet es sogar zuerst, und mit der Verdunstungskälte geht die Temperatur nahe Null Grad, wodurch der Regen wieder in Schneefall übergeht. Reißt der Niederschlagsnachschub nicht ab, wird die Luft jedoch weiter durchfeuchtet und die Feuchttemperatur steigt immer weiter an, sodass der Schneefall schließlich wieder in Regen übergeht. So geschehen am 21. Januar 2012 in Wien, als zuerst Regen, dann Schneeregen, dann 5 cm Schnee fielen, ehe mit kräftig auffrischendem Wind alles in Regen überging und Tauwetter einsetzte.
Föhn
Ein Wort zum Föhn. Seinen undankbaren Ruf als Schneefresser verdankt der Föhn nicht der heißen Luft, sondern der Trockenheit, die durch ihn zustandekommt. Föhnluft zeichnet sich oft durch sehr trockene Luft bei begleitenden, starken Windböen aus. Da der Taupunkt dadurch häufig negativ ist, wird die Schneedecke überwiegend durch Sublimieren bzw. Schmelzen dezimiert, wobei der starke Wind diese Prozesse beschleunigt, und durch die trockene Föhnluft mit geringer Bewölkung viel direkte Sonneneinstrahlung auf die Schneedecke treffen kann – was vor allem ab dem Spätwinter und Frühjahr eine Rolle spielt.
Lawinengefahr
Ein letztes Wort zur Lawinengefahr bei dieser Witterung: Der Schnee bleibt zwar im Schatten und in den Hochlagen großteils erhalten, auch wenn die Schneehöhe durch Setzungsprozesse allmählich abnimmt. Das gilt aber nicht für der Sonneneinstrahlung ausgesetzte (steile) felsdurchsetzte Hänge und Grasflanken. Die Lawinengefahr kommt dabei von oben und unten. Einerseits war der Boden vor dem Beginn der extremen Neuschneeperiode Anfang Jänner nicht gefroren, sodass der Bodenwärmestrom für eine kontinuierliche Erwärmung der Schneedecke von unten sorgte. Die gesamte Schneemasse rutscht dann wie auf einer Seifenschicht zur Gänze ab und reißt dabei das Erdreich mit. Mit der kräftigen Erwärmung und ganztägigen Sonneneinstrahlung bei steigendem Sonnenstand wird die Schneedecke nun auch von oben durchfeuchtet und nass, die Schneedecke verflüssigt sich auf steilen Grasmatten zur Gänze. Daher wird die Gefahr von großen Nassschnee-Lawinen jetzt zunehmen, die Erdreich, Vegetation, Steine mitnehmen und Forstwege sowie Steiganlagen beschädigen oder zerstören können.
Sollte es nach dieser Wärmeperiode noch einmal deutlich kälter werden und Neuschnee geben, wird der lockere Neuschnee (meist Triebschnee) auf der harten, eisigen Altschneedecke kaum Verbindung zur Unterlage haben und die Schneebrettgefahr wieder ansteigen.