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Die Zukunft des Schnees in Österreich

Erstmals stehen detaillierte regionale Daten der Schneelage in Vergangenheit und Zukunft für die gesamte Fläche Österreichs zur Verfügung. Im Projekt FuSE-AT erstellten ZAMG, Universität Innsbruck, Climate Change Centre Austria und Schneezentrum Tirol einen Datensatz für die Entwicklung der Schneelage seit 1961 …

Hochwasser und Italientiefs: Fundierte Erklärungen fehlen

Venedig

Der Pegelstand lag mit 187cm nur 7cm unter dem Stand vom 4.11.1966. Insgesamt sind seit Bau des Markusdoms in Venedig nur fünf Hochwässer bekannt, die höher waren, die dritte Flut erreichte vergangenen Freitag nochmals 154cm. Für Acqua Alta muss eine kräftige Südostströmung das Wasser in die Bucht hineindrücken. Der Meeresspiegel steigt vor allem wegen der schmelzenden Polkappen und weil die Ozeane generell wärmer werden. Wärmeres Wasser dehnt sich stärker aus, auch dadurch steigt der Meeresspiegel an. Für den Fall, dass eine kräftige Südostströmung (Scirocco) vorherrscht, fällt das Hochwasser also tendenziell infolge der Klimaerwärmung stärker aus als früher. Nun gibt es aber auch kritische Stimmen, die sagen, dass das Rekordhochwasser in Venedig hausgemacht sei, etwa Petra Reski. Die Lagune wurde für Öltanker und Kreuzfahrtschaffe ausgebaggert, seitdem dringt das Wasser schneller und stärker in Venedig ein. Zudem sinkt Venedig sukzessive ab, weil das Grundwasser abgepumpt wird. Die Hochwasserschleuse MOSE wird seit 13 Jahren gebaut und ist noch nicht fertig, die Schleusentore sind bereits verrottet.

Niederschlagsmengen an der Alpensüdseite

In Heiligenblut (1288m), Kärnten, fielen dreieinhalb Meter Schnee. Die Alpensüdseite erlebt ein déjà vu der massiven Nordstaulage in den ersten zwei Jännerwochen. Nur seitenverkehrt. Und weil eben nicht der Großteil als Schnee fällt, sondern zeitweise in Regen überging, sind die Auswirkungen viel verheerender. Bei sechs Mittelmeertiefs seit Anfang November fielen 300 l/qm in Ulten und Sexten (Südtirol). Zwischen Samstag, 16.11. und Dienstag, 19.11, fielen in Osttirol und Oberkärnten verbreitet 100 bis 200 l/qm. In Lienz sind es normal im gesamten November 91 l/qm. Ungewöhnlich auch die Mengen im Südstau (!) im Pinzgau, mit 80 l/qm in Saalfelden, 113 l/qm in Rauris und 108 l/qm in Bad Gastein und 164 l/qm am Sonnblick.

Auch die Schneehöhen können sich sehen lassen. Am 18.11. lagen in …

Weißbrunn/Ultental 130cm
Pfelders/Passeiertal 126cm
St Jakob/Defereggental. 114cm
Kasern/Ahrntal 110cm
Obergurgl 106 cm
Brenner 75 cm
Sillian 73 cm

Fatal sind neben den gewaltigen Regenmengen auch die zwischenzeitlichen Regenphasen mit steigender Schneefallgrenze. Der nasse, schwere Schnee bildet mächtige Grundlawinen, die alles mitreißen, Erdboden, Felsen, Bäume, und eben auch Bahnstrecken, Straßen und Häuser. Hinzu kommt vor allem in Osttirol und Oberkärnten, dass Tief VAIA im Oktober 2018 ganze Wälder zerstört hat, die nun ihre Schutzwaldfunktion verloren haben.

Hier am Beispiel Mörtschach

Am 26. Oktober 2018 war der Nadelwald (linke Bildhälfte) noch intakt.

26-okt

Am 31. Oktober 2018 liegt der Wald komplett.

31-okt

Am 18.11. 2019 sind unterhalb der beschädigten Waldflächen zahlreiche kleinere Lawinenabgänge, Fischmäuler und Rutschungen zu sehen.

18-nov

Auch in Hopfgarten sind ganze Hänge instabil…

Der Grund für die intensiven Regenfälle im Pinzgau ist die hohe Labilität beim Ereignis vom 17. auf den 18.11.2019.

radarbild

Sichtbarer Kanal, 15.00 MEZ und 24-Stunden-Blitzdichte über Italien

Sonst wird Südstau eher durch eine Tiefvorderseite verursacht, das Bodentief sitzt dann über Frankreich. Die Schichtung ist stabil, der Stau endet am Alpenhauptkamm. Die Föhnmauer kommt nur wenige Kilometer ins Lee voran.

rgb-analyse

Luftmassen-Satellitenbild (RGB) + 700 hPa Thetae, Quelle: http://eumetrain.org/ePort_MapViewer/index.html (neu)

Hier saß das Bodentief über Oberitalien bzw. Norditalien, die Kaltfront (hier: split front, mit einer Höhenkaltfront über der Oberen Adria und einer Bodenkaltfront weiter westlich) lang in der Südströmung und verlagerte sich über Stunden hinweg kaum. Damit konnte warme und sehr labil geschichtete Luft vom zentralen Mittelmeerraum über die Adria bis an die Alpensüdseite geführt werden. Labile Luftmassen haben die Eigenschaft, dass ihnen die Berge wurscht sind, wenn die Strömung nur kräftig genug ist, und das war sie bei mittlere Windgeschwindigkeiten von 50-60kt in 3000m und über 80kt in 9000m. Die Gewitter verlagern sich also über den Alpenhauptkamm, als gäbe es ihn nicht. Sie verlieren ihre Funktion als Wetterscheide, die Föhnmauer ragt in Wahrheit bis in die Nördlichen Kalkalpen. Und so gewitterte es mittags auch im Steinernen Meer oberhalb von Saalfelden. In Osttirol und Oberkärnten gab es immer wieder Schneegewitter, alleine am Plöckenpass fielen innerhalb sechs Stunden über 100 l/qm.

Womit ich aber nicht einverstanden bin, ist die laue Erklärung auf der ORF-Seite (abgerufen am 20.11.19, 23.17). Das ist Kindergartenmeteorologie, sorry.

Das Problem sei, dass sich derzeit warme Luft aus dem Süden und kältere Luft aus dem Norden über dem Mittelmeer vermische und so Tiefdruckgebiete entstünden. „Die Alpen stehen dann da wie eine Staumauer, man spricht dann auch vom Südstau. Das Tiefdruckgebiet kann sich also nicht weiter nach Norden bewegen und sorgt stattdessen zwischen Lienz in Osttirol und Venedig für die starken Niederschläge der vergangenen Tage.

Hier werden zwei Prozesse miteinander vermengt. Das eine ist die Südströmung, die von den Alpen (teilweise, s.o.) blockiert wird und somit die enormen Regenmengen erzeugt. Die labile Luftmasse mit eingelagerten Gewittern ist übrigens essentiell, um hohe Niederschlagsraten von 15-20 Liter pro Stunde zu erhalten, wie sie am 17.11., aufgetreten sind. Wenn das Meer durch die Klimaerwärmung immer wärmer wird, sinkt übrigens auch die statische Stabilität, die ein Kehrfaktor in der Hebungsgleichung ist. Sie bewirkt, dass die Aufwärtsbewegung der Luft noch stärker wird, was zu großräumigen Druckfall führt und bestehende Tiefdruckgebiete verstärkt. Der dritte Faktor, dass die Luftmassen derzeit wärmer sind als im Durchschnitt und wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen und damit potentiell mehr Niederschlag erzeugen. Das andere ist die Position des Bodentiefs. Dessen Verlagerung wird vom zugehörigen Höhentief gesteuert, und das sitzt seit etlichen Tagen immer wieder über Frankreich bzw. Westalpen:

rgb-300hpa

RGB + 500 hPa Geopotential, 17-11-2019, 13lct

Es sitzt da aber nicht fest, weil die Alpen im Weg sind. Die Alpen sind dem Höhentief in über 5km Höhe herzlich egal, sondern es sitzt da, weil die Großwetterlage sehr stabil ist, und die Stabilität der Großwetterlage hängt wiederum von den sogenannten Rossby-Wellen ab.

jetstream

Durchschnittliche Position des Jetstreams für die Nordhalbkugel am 17.11.2019, Quelle: Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam

Das Starkwindband in 9km Höhe verläuft recht geradlinig (zonal) über Russland, Sibirien, Nordpazifik und Nordamerika. Bei Grönland erfährt es eine deutliche Meridionalisierung mit je einem Trog vor Neufundland und über Mitteleuropa. Die Ausbuchtung nach Norden hat die Form des griechischen Buchstaben Omegas, man nennt so eine Lage auch Omegalage, die allgemein als stabil gilt.

Und der Grund für die Stabilität dieser Omegalage ist in den Rossbywellen begründet:

Zwischenablage01

Skizze von Meteoschweiz

Der Blogartikel von der MeteoSchweiz erklärt die Rossbywellen vorbildlich: Kleine Wellen verlagern sich ostwärts, vor allem tun sie das relativ zügig. Es bringt die klimatologisch typische Westwetterlage, die vor allem in den 90er Jahren zahlreiche schwere Stürme über Europa verursacht hat. In den letzten Jahren ziehen immer seltener großräumige Orkane über Mitteleuropa hinweg, eher kleine, aber giftige Sturmtiefs (Xavier 2017, Friederike und Fabienne 2018), dafür werden die Wellen immer länger und größer, und diese neigen dazu, längere Zeit ortsfest zu bleiben.

Und so schließt sich der Kreis: Seit Anfang November haben wir wenige, aber große (Rossby-)Wellen, die bewirken, dass sich immer wieder Kaltluftvorstöße ins Mittelmeer ereignen, die dort Tiefdruckgebiete entstehen lassen, auf deren Vorderseite milde und labil geschichtete Luftmassen gegen die Alpen gestaut werden. Die Wettermodelle zeigen jetzt aber eine Rückkehr zu „kleinen Wellen“ und zumindest um den Monatswechsel herum könnte sich die Großwetterlage dann umstellen.

Mein Appell: Haltet den Leser nicht für dumm. Nehmt Euch ein Vorbild an der MeteoSchweiz. Wenn man so anspruchslose Erklärungen wie oben liest, darf man sich nicht wundern, dass viele Menschen im Land die Klimaerwärmung nicht verstehen, geschweige denn ernstnehmen.