ein Beitrag von: Forscher (in Kooperation mit Meteo Error)
Sturmtief BIANCA reiht sich ein in eine Serie von Stürmen im Februar, den Auftakt lieferte PETRA (04.02.) , dann folgten SABINE und SABINE SUCCESSOR (10.02. und 10.02./11.02.), nach zwei Wochen Pause kam YULIA (23./24.02.). Zu BIANCA hatte ich bereits den Verdacht geäußert, es handle sich um eine Shapiro-Keyser-Zyklone. Das recherchierte Kartenmaterial stützt diese Annahme. Nachfolgend eine kurze Analyse über die wesentlichen Merkmale der Sturmzyklone:
1. Doppelte Jetstream-Konfiguration
Bis zum Höhepunkt der Tiefdruckentwicklung besaß die Zyklone in der Höhe einen doppelten Jetstream, Voraussetzung für eine Shapiro-Keyser-Zyklone: Das Bodentief befand sich im linken Jetauszug des stark gekrümmten Polarfrontjets und gleichzeitig im rechten Jeteinzug des deutlich schwächeren Warmfrontjets, der immerhin dafür sorgte, dass der Flächenniederschlag an der Warmfront wesentlich intensiver war als die nachrückende, fast inaktive Kaltfront.
2. Kein klassisches Frontensystem
Die Modellanalyse von der 850 hPa-Temperatur lässt einen schmalen Warmsektor über Ostfrankreich vermuten, die sich auch am Boden in erhöhter Temperatur und Taupunkt niederschlugen. Die Vorder- und Rückseite passen allerdings nicht wirklich zu einer Okklusion.
Die Überlagerung des Satellitenbilds mit Bodendruck und Radarbild von Europa zeigt einen breiten Aufgleitschirm der um den Bodentiefkern gewickelten Warmfront. Die Kaltfront ist anders als bei Norwegerzyklonen kein kompaktes, längliches Wolkenband, sondern durch kräftige Schauer und Gewitter gekennzeichnet, die eine Lücke zur Warmfront aufweist – ein weiteres typisches Kennzeichen für Shapiro-Keyser-Zyklonen.
Das Radarbild von Frankreich zeigt ebenso die zellulären Schauerechos über Frankreich an der Kaltfront.
Das Erscheinungsbild der Front ähnelt also stark jenem einer klassischen Shapiro-Keyser-Zyklone:
3. Sting Jet-Entwicklung über Ostfrankreich und Süddeutschland
Über Nordfrankreich gab es um 16 Uhr Lokalzeit einen breiten Bereich mit sehr tiefer Bewölkung (Stratocumulus cumulogenitus), die unter starkes Absinken geriet. An der Vorderkante des starken Absinkens, unmittelbar an/hinter der Kaltfront traten die stärksten Windspitzen auf. Von Paris über den Oberrheingraben, Baden, Schwaben bis zum Chiemgau und Innviertel traten Böen zwischen 90 und 110 km/h auf, einzelne Spitzen erreichten sogar über 120 km/h.
Um 18 Uhr war der Höhepunkt der Tiefdruckentwicklung erreicht, der Sting Jet entfaltete seine volle Wucht, selbst auf der Hornisgrinde (1138m) wurden 154 km/h gemessen.
In weiterer Folge schwächte sich der Sturm langsam ab. Die Warmfront drehte sich vollständig um den Kern, die Kaltfront als solche war nicht mehr erkennbar.
In den Radiosondenaufstiegen von London (12 UTC), Paris (12 UTC) und Idar-Oberstein (18 UTC) ist das starke Absinken mehr oder weniger erkennbar, aber nur bei Paris sieht man um 500 hPa herum ein schmales Windmaximum in der Höhe. Sonst gibt es leider keinen repräsentativen Aufstieg aus dem Sting-Jet-Bereich.
4. Sonstige Merkmale:
4.1 Zugbahn
Hier noch einmal die prognostizierte Zugbahn der unterschiedlichen Wettermodelle von den Abendläufen am Dienstag, 25. Februar.
Und hier die tatsächliche Zugbahn, abgelesen an den QFFs, die Zahlen sind die Zeitangaben in UTC.
Selbst mit einer geglätteten Zugbahn steht EZWMF 12z vom als klarer Gewinner fest, wobei man dazu sagen muss, dass GFS schon Tage davor eine extrem südliche Zugbahn gerechnet hatte, dann aber wie die anderen Modelle wieder nördlicher wurde, womit der Sturm wesentlich stärker mit größerem Starkwindfeld ausgefallen wäre. Der niedrigste Luftdruck wurde am französischen Ärmelkanal um 11 Uhr Lokalzeit mit 988,2 hPa erreicht. Auf seinem Weg nach Deutschland blieb der Kerndruck nahezu unverändert. Erst über Bayern füllte sich das Tief deutlich auf, zeitgleich mit der Abschwächungsphase beim Wind. In 25 Stunden fiel der Kerndruck lediglich um 3,1 hPa und stieg um 9,2 hPa an. Weder eine markante Vertiefungs- noch Abschwächungstendenz.
4.2 Drucktendenzen
Wenn man allerdings die zeitliche Verlagerung des Tiefs berücksichtigt, 1700 km in 25 Stunden, dann ergeben sich durchaus beachtliche isallobarische Drucktendenzen (die zeitliche Druckänderung innerhalb 3 Stunden, angegeben in Zehntel Hektopascal), das begann um 17 Uhr Lokalzeit in Paris mit 120er Druckanstieg, um 19 Uhr 136 in Nancy, um 21 Uhr der Höhepunkt mit 149 in Karlsruhe, um 22 Uhr noch 144 in Mühlacker und um 23 Uhr immer noch 146 in Öhringen. Um 24 Uhr noch 138 in Roth/Mittelfranken und danach rasche Abschwächung unter 100er Druckanstiege über Niederbayern und Oberösterreich. Zum Vergleich: Caen/Frankreich hatte bei Orkan Lothar am 26.12.1999 einen Druckanstieg von 29,0 hPa in 3 Stunden.
4.3 Windspitzen
Vom Schneeberg gibt es für dieses Sturmereignis leider keine Daten. Die Bergstationen registrierten keine außergewöhnlich hohen Windböen, bemerkenswert waren eher die großflächig überschrittenen 100 km/h in den Niederungen und dann bis ins Traunviertel hinein. Erst in Niederösterreich schwächte sich der Sturm deutlich ab, in Wien wurden nicht einmal mehr 90 km/h erreicht.
–> Spitzen über ganz Süddeutschland und im Norden der Schweiz.
Knappe drei Tage nach BIANCA zog ein weiteres kleinräumiges Sturmtief namens DIANA über Frankreich nordostwärts und brachte an seiner Kaltfront eine markante Gewitterlinie hervor, die selbst im Flachland einzelne Orkanböen erzeugte. Mehr dazu im nächsten Beitrag, wo ich die einzelnen Charakteristiken der Sturmtiefs genauer ausarbeiten möchte.