Neulich stöberte ich in der Tageszeitung „Die Presse“, als ich in der Wissenschaft-Beilage über folgende Aussage stieß, mit der der Artikel begann:
„Wenn sich Saharastaub über Wien legt, stimmen die Wettervorhersagen selten. Die Rückkopplungseffekte der kleinen Teilchen in der Luft – Absorption und Reflexion von Sonnenstrahlung – sind in den Prognosemodellen schlichtweg nicht berücksichtigt.“ [Quelle: Die Presse, 7.12.2019, W1]
Die Autorin nimmt an, dass die Wettervorhersage zwangsläufig falsch ist, wenn die Prognosemodelle falsch sind. Diese Aussage ist ein wenig gewagt. Hier fehlt nämlich ein wichtiger Zwischenschritt: Der Mensch. Die Aufgabe des Meteorologen ist ähnlich wie früher bei Journalisten: Sie entscheiden, welche Information richtig oder falsch ist, was verwertet werden kann in einer Prognose und was als unrealistisch verworfen wird. Die Autorin hätte Recht, wenn sie sich explizit auf Wetter-Apps und andere Anbieter bezogen hätte, wo man vermeintlich „postleitzahlgenaue“ bzw. „Standortgenaue“ Prognosen beziehen kann. Diese werden allerdings automatisch erstellt, der Filter Mensch fehlt.
Tatsächlich lässt sich Saharastaub sehr gut vorhersagen, sowohl die Gesamtmenge, die bodennahe Konzentration und jener Anteil, der bei Niederschlag ausgefällt wird. Von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik werden täglich frei verfügbare Prognosen mit einem hochaufgelösten Wettermodell gerechnet, die Auskunft über die Saharastaubzufuhr geben.
Richtig ist, dass die Wettermodelle die Saharastaub vor allem bei der Bewölkungsprognose unterschätzen. Denn die Staubaerosole dienen als Kondensationskeime für unterkühltes Flüssigwasser und erleichtern die Wolkenbildung. In meinem Beitrag vom 08. April 2016 über einen nicht eingetroffenen Fall von Blutregen habe ich bereits erläutert, dass Saharastaub vor allem die hohe und mittelhohe Bewölkung (Cirrus, Altocumulus) verstärkt, sodass die Sonneneinstrahlung abgeschirmt wird. Das bringt Abzüge im Temperaturmaximum, in der Schauer- und Gewitterneigung, aber auch generell bei Quellwolken durch die verringerte Thermikentwicklung. Ist die Luft in großen Höhen sehr trocken, sodass keine Bewölkung vorhanden ist, dann erscheint der Himmel diesig und grell. Wenn Saharastaub beteiligt ist, dann sind dynamische Hebungsprozesse nötig, um dennoch signifikante Schauer- und Gewitterbildung zu erzeugen, denn der thermische Beitrag ist durch die geringere oder fehlende Sonneneinstrahlung gering. Automatische Wetterprognosen berücksichtigen das nicht ausreichend, sodass Wettervorhersagen zu pessimistisch erscheinen.
Wetterprofis können aber aufgrund der Staubvorhersagemodelle und Satellitenbilder, die speziell Staub erfassen, sehr wohl den Faktor Saharastaub in ihren Prognosen berücksichtigen.
Damals waren signifikante Staubkonzentrationen vor Griechenland sichtbar (rosa), die angesprochene dichte hohe Bewökung zeigt sich durch den kompakten dunkelroten bis schwarzen Wolkenschirm an der Okklusion.
Jedoch sind nicht einmal spezielle Fernerkundungsprodukte notwendig – man erkennt Saharastaub auch auf gewöhnlichen (hochaufgelösten) Satellitenbildern, wie hier an der dichten, grieselig wirkenden Eisbewölkung über dem Ligurischen Meer und Nordostitalien.
Um es auf den Punkt zu bringen: Solange der Beruf Wettervorhersager noch nicht ausschließlich darin besteht, automatisierte Produkte zu erstellen, sondern hinter jedem Medienprodukt und Textprognose ein Mensch mit einem selbst denkenden Gehirn steht, das sehr wohl berücksichtigen kann, wenn Saharastaub herantransportiert wird, dann lassen sich solche Fehlprognosen vermeiden, zumindest aber lässt sich eine Unschärfe bzw. Unsicherheit hineinbringen, die etwa andeutet, dass die Sonne von einem zeitweise sehr milchigem Himmel scheint statt völlig ungetrübt, wie die App uns glauben machen will.
Normalerweise reicht die Fernsicht deutlich bis Dachstein und Ankogel, hier schälen sich Tennengebirge und Göll gerade einmal schwach aus dem Dunst. Der Cirrostratus ist in einen hohen Altostratus übergegangen, welcher die Sonne vollständig verdeckt.
Nachdem Profimeteorologen mit Feuchtekarten in verschiedenen Höhen, Staubkarten und Vorhersagen für das Vertikalprofil der Atmosphäre arbeiten, lässt sich heute relativ gut abschätzen, wie dicht dieser Cirrus ausfällt und was das für die Tageserwärmung bedeutet (häufig auch schwächere Winde, weil die Thermik schwächer ist).
„Wenn sich Saharastaub über Wien legt, stimmen die automatisierten Wettervorhersagen selten.“
So passt es, danke.