
Jetstream über dem Nordatlantik und Europa zum Zeitpunkt von Orkan FRIEDERIKE, Quelle: wetter3.de
In der heutigen Print-Ausgabe vom 29. Jänner 2018 der Salzburger Nachrichten wird auf Seite 14 zum Klimawandel berichtet. Ein Text von Martin Stricker erklärt sachlich korrekt und ohne Übertreibungen die Folgen der Klimaerwärmung, insbesondere der drastischen Erwärmung der Arktis. Die Höhenströmung erreicht in den mittleren Breiten in einem schmalen Band ein Geschwindigkeitsmaximum, der Jetstream. Die treibende Kraft sind horizontale Temperaturgegensätze zwischen dem kalten Polgebiet und dem immerwarmen Äquator. Im Mittel erstreckt sich der Jetstream von West nach Ost, gerät aber ab und zu ins Schlingern. Ein Keil von den Azoren schiebt sich nach Norden, ein Trog über dem Nordmeer und der Nordsee nach Süden, abwechselnd werden kalte und warme Luftmassen nach Norden und Süden ausgetauscht. Anfang der 90er und Ende der 99er verlief der Strahlstrom recht straff von West nach Ost, hohe Windgeschwindigkeiten und nachfolgend heftige Orkane waren die Folge (DARIA, VIVIAN, WIEBKE 1990; ANATOL, LOTHAR, MARTIN 1999). Infolge der Erwärmung der Arktis schwächen sich die Temperaturgegensätze im Durchschnitt aber sukzessive ab und damit auch der Motor für den Jetstream. Die Auslenkungen („Meridionalisierung“) werden immer größer und dauern vor allem länger an. So ergeben sich tage- bis wochenlange Kältewellen in den USA, längere Wärmeperioden im Winter über Europa, aber auch extrem unbeständige Sommer wie 2014 und 2017 (strenggenommen auch 2013, 2015 und 2016).
Ein paar Ergänzungen noch von meiner Seite:
Kurzlebige Phänomene wie XAVIER und FRIEDERIKE rechne ich nicht dem Klimawandel zu. Solche heftigen Stürme sind innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite normal und – wie zuletzt erläutert – auch nicht häufiger geworden. Auch so massive Neuschneefälle wie diesen Winter entlang der gesamten Nordalpen gab es zuletzt 1999. In den vergangenen Jahren waren Adriatieflagen dominierend, die eher die Südalpen bevorzugten, der Norden ging oft leer aus, worunter gerade niedrig gelegene Skigebiete litten.
Der Klimawandel macht sich hingegen schleichend erkennbar. Bei den absoluten Höchstwerten gibt es in Mitteleuropa eine Schwelle um 41°C, die kaum geknackt wird. Der alte Hitzerekord von 40,2°C in Roth, Mittelfranken, hat 20 Jahre gehalten (bis 2003), auch der Hitzerekord in Österreich (39,7°C in Dellach, Kärnten) hat sogar 30 Jahre gehalten, bis 2013. Der Spielraum nach oben ist also gering, einzig die Dauer der Hitzewellen, die Anzahl der Sommertage (über 25°C) und der heißen Tage (über 30°C) hat deutlich zugenommen.
Im Herbst und Winter sorgt die Meridionalisierung für wochenlangen Tiefdruckeinfluss. Dieser bringt neben Niederschlag vor allem tiefe Bewölkung. Aufgrund der Bewölkung kühlt die Luft und auch der Boden in der Nacht weniger aus als bei sternenklarem Himmel unter einem stabilen Winterhoch. Entsprechend haben extreme Tiefstwerte an Häufigkeit und Intensität in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen. Die relativ höheren Temperaturen in der Nacht sind hauptverantwortlich für die überdurchschnittlich warmen Herbst- und Wintermonate. Warme Böden sorgen zudem für schlechte Grundlagen für den ersten Neuschnee, sorgen für erhöhte Gefahr von Grundlawinen. Die milden Nächte begünstigen die Überlebensfähigkeit von Schädlingen.
Im Frühjahr und Sommer steigt die Hochwassergefahr, denn bei ortsfesten Tiefdruckgebieten kann sich die Luft regelrecht vollsaugen wie ein Schwamm, ehe sie sich über uns abregnet:
- Oderhochwasser 1997
- Pfingsthochwasser 1999
- Augusthochwasser 2002 und 2005
- Junihochwasser 2013
usw.
Ich persönlich kann die Beobachtungen sowohl als Berufsmeteorologe als auch als Vielwanderer bestätigen. Ortsfestige Tiefdruckgebiete mit geringen Luftdruckgegensätzen sind im Sommer seit 2013 häufiger geworden, entsprechend werden Kurzfristvorhersagen (die kommenden zwei Tage) kniffliger. Die Anzahl und Dauer stabiler Hochdruckphasen (mindestens drei bis fünf Tage) hat deutlich abgenommen. Damit scheiden für mich anspruchsvolle Bergtouren tendenziell öfter aus, also wo ich mich weder bei Gewittergefahr, bei dichtem Nebel noch bei intensivem Niederschlag in alpines Gelände begeben möchte. Anhand meiner Aufzeichnungen besitze ich detaillierte Angaben zum Wetter in den vergangenen Jahren und habe öfter auch vermerkt, ob ich eine Tour anstelle einer anderen gemacht habe, weil etwa das Wetter zu schlecht war. Von Kollegen, Wanderer und Meteorologen, weiß ich ähnliche Beobachtungen. Die Auswirkungen der Jetstream-Anomalien sind also real. Wie sich das in den kommenden Jahren fortsetzt, wird man sehen.