Sturmtief HERWART – eine Satellitenbildanalyse

Als ich 2003 mit dem Meteorologie-Studium begann, machte ich solche Analysen regelmäßig, auch in den nachfolgenden Jahren. Weit über 100 solcher Studien sind im Laufe der Jahre zusammenkommen. Es ist jedes Mal ein Genuss. So auch bei Sturmtief HERWART, zumindest in Österreich wurden die stärksten Windspitzen seit Orkan EMMA (1.3.2008) gemessen, auf den Bergen verbreitet über 180km/h, aber auch viele Flachlandstationen erreichten Orkanstärke:

  • Enns 140 km/h
  • Irdning/Ennstal 137 km/h
  • Mariazell 133 km/h
  • Kremsmünster 126 km/h
  • Wien-Schwechat 126 km/h
  • Haag 123 km/h
  • Innsbruck 122 km/h (Nordföhn, vor der Kaltfront)

Private Wetterstationen auf AWEKAS:

136.8 km/h Riegersburg (Steiermark)
133.3 km/h Valentinhaft/Munderfing (OÖ)
128.7 km/h Kirchdorf/ Krems
120.7 km/h Vorchdorf (Traunviertel)
120.6 km/h Wartberg a.d. Krems

Satellitenbild (RGB) vom Sonntag, 29. Oktober 2017, 13.00 MEZ

Großwetterlage: Ein Sturmtief verlagert sich in einer straffen Nordwestströmung rasch von der Ostsee über Polen weiter in die Ukraine. Von Westen rückt ein Hochdruckgebiet nach.

satellitenbildanalyse

Die schwarze Linie markiert die Position der Jetstream-Achse. Westlich davon gerät die Luftmasse unter antizyklonalen Einfluss mit kräftigem Absinken in der Höhe und recht niedrigen Wolkenobergrenzen. Damit wird die vertikale Mächtigkeit der Schauerbewölkung begrenzt und die Gewitterneigung ist deutlich geringer als östlich der Jetachse, wo zyklonaler Einfluss und Höhenkaltluft überwiegen. Hier sind die Obergrenzen deutlich höher und es traten zahlreiche Gewitter auf.

Gegenüberstellung der Wetterballonaufstiege von Stuttgart und Wien:

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Stuttgart befindet sich unter stärkerem antizyklonalen Einfluss mit der Absinkinversion in rund 750 hPa Höhe und Wolkenobergrenzentemperaturen um -8°C. Selbst für Wintergewitter sollten wenigstens -15°C vorhanden sein. Anders in Wien (und weiter östlich), hier lag die Absinkinversion deutlich höher in ca. 600 hPa. Damit lagen die Wolkenobergrenzentemperaturen bei mindestens -20°C.

Die Zahlen bedeuten ….

(1) Wetteraktivster Teil der Kaltfront über Ungarn mit wabenförmigen Zellstrukturen im Satellitenbild. Diese treten recht häufig dann auf, wenn die Kaltfront genau unter dem linken Jetausgang liegt, wo maximaler Hebungsantrieb vorhanden ist. Die Zellbänder sind vermutlich auf Schwerewellen zurückzuführen. Wann immer man solche Strukturen sieht, sollten die Alarmglocken läuten (dazu später mehr).

(2) Hier befindet sich die Kaltfront bereits im antizyklonalen Jetbereich mit zunehmenden Absinken. Die westlichsten Blitzentladungen wurden über Salzburg registriert (Gaisberg). Zusätzlich negativ auf die Wetteraktivität wirkte sich die strömungsparallele Lage der Kaltfront aus, sie schleifte zunehmend dahin und kam nur langsam südwärts. Die stärksten Windböen wurden vielerorts, ausgenommen im Osten in Zusammenhang mit Gewittern, vor der Kaltfront im Warmsektor erreicht, verursacht durch das extreme Druckgefälle zwischen Bodensee und Wiener Becken, am Vormittag bis zu 24 hPa erreichend.

(3) Hinter der Kaltfront setzte durch den Transport stratosphärischer Luft (extrem trocken) bis in tiefe Lagen markantes Absinken und Aufklaren ein. Vorübergehend war es nach Durchzug der Kaltfront fast wolkenlos. Je ausgeprägter diese „Dry Intrusion“, desto heftiger der Kaltfrontdurchzug.

(4) Die Okklusionsfront.

(5) Der Höhentrog mit Höhenkaltluft, je nach Position zur Jetachse mit kräftigen Schauern und Gewittern einhergehend oder mit harmloserer Schauerbewölkung.

(6) Bereich mit auflockernder Bewölkung an der Alpensüdseite (nordföhnbedingt), vor Frontdurchgang wurden verbreitet 20-25°C gemessen.

(7) Stationäre Leewellen an der Alpensüdseite, aber mit eindeutiger Nordwest-Südost-Orientierung.

(8) Hochreichende und kompakte Bewölkung auf der warmen Seite („warmes Förderband“)

Vergleich HERWART mit EMMA (2008, oben) und KYRILL (2007, unten):

emmakyrill

In allen Fällen …

  • bilden sich die unter (1) erwähnten wabenförmigen Wolkenzellen heraus,
  • gab es hier die stärksten Gewitter und schadensträchtigsten Kaltfrontböen mit über 150km/h
  • lockerte die Bewölkung unmittelbar vor Kaltfrontdurchzug sowie dahinter signifikant auf.

KYRILL und EMMA hatten allerdings eine deutlich westlichere Zugbahn, weshalb die Warmfrontniederschläge ausgeprägter waren und der Schwerpunkt der Spitzenböen über Mitteleuropa lag.

Übrigens … wie schon zuvor Emma und Kyrill, aber auch zuletzt Xavier 2017 waren die Wettermodelle hervorragend und prognostizierten den Verlauf des Sturmtiefs sehr genau. Überrascht konnte dieses Mal niemand sein.