Kühl-milder Winter des Anthropozän?
Bevor ich ausführe was damit gemeint ist gibt es wie immer eine kurze Verifikation der letzten Prognose. Der Herbst hat übrigens als drittwärmster in der Messreihen-Geschichte abgeschlossen.
Folgende Druckabweichungen hatte ich vermutet :
(C)KURT HANSEN VIA NOAA
Ergebnis :
(C)NOAA
Ein recht gutes Ergebnis, allerdings hatte ich über Mitteleuropa wesentlich mehr Hochdruckanomalie vermutet, hier hat der kühle September ein besseres Ergebnis "verhindert".
Bei den Großwetterlagen und der Abweichung wurde folgendes vermutet :
Daraus resultierend dürfte es hauptsächlich zu Gemischten und Zonalen Lagen kommen, allerdings mit Vorteil bei den Gemischten Lagen. Meridionale Lagen werden auch auftreten, hier muss abgewartet werden wie sich die Hurrikan-Saison auf die Zirkulation auswirkt, denn ziehen außertropische Stürme Ri. Norden so iniziiert dies eher Meridionale Lagen. Bei den Großwetterlagen sind BM, NWa, SWz, SWa, TrM,HNz, HNFz, HB, HFz,Nz, TrW, TB zu erwarten, ferner Wz, Wa und WW.
Die Abweichung zu 1961-1990 ( Klimareferenzperiode für Jahreszeiten ) dürfte +1,5° bis +2,5° betragen, zu 1991-2020 +1° bis +2°.
Mit insgesamt 48 Tagen lagen wie vermutet Wetterlagen der zonalen und gemischten Zirkulationsform im Vorteil, besonders stark waren SWa,SWz,Wa,HM,WW, desweiteren bei den meridionalen HNFz und TrW. Aber auch die übrigen von mir vermuteten Wetterlagen trafen fast alle ein.
Sehr gut die Prognose der Abweichungen zu den Referenzperioden. Ergebnis für 1961-1990 ist +1,96° und für 1991-2020 +1,41K. Beides im Rahmen dessen, was ich prognostiziert hatte,´.
Nun zum kommenden Winter. Die Prognose wird nicht eindeutig ausfallen, dazu gibt es aktuell zuviele Unsicherheitsfaktoren. Vorab gilt, daß es evtl. zu einem Winter kommen könnte, der mal nicht den typischen Mildwinter-Weg geht, sondern, unter den neuen klimatischen Gesichtspunkten, eher leicht mild bis zu kühl ausfallen könnte.
ATLANTISCHE SITUATION
Seit dem Herbstbeginn präsentierte sich der NAO-Index eher neutral bis negativ, mit einer kurzen positiven Phase im November. Aktuell dürfte der NAO-Index nach einem kurzen ansteigen schnell wieder in negative Bereiche ansteigen, was für eher meridionale und gemischte Wetterlagen steht:
(C)NOAA
Warum sich der NAO-Index aktuell so negativ präsentiert versuche ich weiter unten zu erklären.
Werfen wir nun desweiteren einen Blick auf die Abweichungen der Wassertemps, diese geben erste Hinweise bezügl. der Druckentwicklungen und möglicher Großwetterlagen :
(C)NOAA
Mehrere Umstände fallen auf. Zum einen teils sehr warmes Wasser vor der US-Ostküste, nordwestlich der Azoren sehr kaltes Wasser, ansonsten dominieren im gesamten Nordatlantischen Bereichen warme bis sehr warme Wassertemps, desweiteren herrschen weiterhin La-Nina-Konditionen im Pazifischen Ozean ( laut den neuesten Verlautbarungen wird sich La-Nina max. bis zum Südhemisphärischen Spätsommer, also Januar/Februar, halten können) und sehr kaltes Wasser im Bereich östlich der Aleuten.
Heuer scheint
die Entwicklung rund um die Aleuten im gleichen Kontext zu stehen wie vergangenes Jahr, als die Voraussetzungen für die Interaktion mit
dem Islandtief fast perfekt waren und sich in entsprechenden Großwetterlagen ab Jan/Feb äußerte. In vergangenen Prognosen habe ich ja schon
öfters darauf aufmerksam
gemacht. In La-Niña-Wintern ist die
Intensität des Alëuten-Tiefs stark
reduziert. Über Nordamerika ist es verhältnismäßig kalt, weil der
Zustrom warmer Meeresluft von Westen fehlt, wodurch im Osten des
Kontinents der thermale Kontrast zum Atlantik erhöht und die Zyklogenese
angetrieben wird. Die Folge ist eine Intensivierung des Island-Tiefs,
das die nordatlantischen Stürme verstärkt, deren Bahnen sich weiter nach
Norden verschieben. Diese Entwicklung dürfte sich aber aufgrund des negativen NAO-Index verzögern.
Die vergangenen Druckabweichungen präsentieren sich dort folgendermaßen :
(C)NOAA
Über den Aleuten hat sich sehr starker Hochdruck etabliert, wieder eine entscheidende Schwächung des Aleuten-Tiefs. Über Grönland ist der Druck erhöht, Ri Skandinavien stark erhöht. Im Bereich der Azoren findet sich eine starke Tiefdruckanomalie, diese verhindert weiterhin die Bildung zonaler Wetterlagen. Zonale Wetterlagen, wie bspw. die klassische Westwindwetterlage Westlage zyklonal, haben sich durch die globale Erwärmung sowieso deutlich verändert. Sie haben nicht mehr die Durchschlagskraft vergangener Jahrzehnte, das übernehmen nun Großwetterlagen der Gemischten Zirkulation, die deutlich zugenommen haben.
Wie man auf den zwei Druckkarten des Polarwirbels in 10hpa sieht hat die aktuelle negative NAO-Phase quasi nichts mit dem Polarwirbel an sich zu tun, denn dieser sitzt zwar nicht zentral über der Nördlichen Hemisphäre aber leicht südlich versetzt.
NÖRDLICHE HEMISPHÄRE / POLARWIRBEL
Der Polarwirbel zeigt sich aktuell v.a. in den oberen Stockwerken gut strukturiert, die
Ozonkonzentration ist niedrig :
(C)NOAA
Beim genaueren Blick auf den Polarwirbel offenbart sich, wie es zur aktuellen stark negativen NAO-Phase und der Bildung meridionaler Großwetterlagen gekommen ist. Der Polarwirbel ist "gestreched", in die Länge gezogen und weit nördlich ellipsenförmig platziert mit einem "Arm" in Ri. Skandinavien :
(C)STRATOBSERVE
Längerfristig soll sich der Polarwirbel allerdings deutlich normalisieren aber weiterhin etwas in die Länge gezogen bleiben, was Kaltluftadvektion in Ri. ME unterstützen könnte :
(C)STRATOBSERVE
Diese Entwicklung wäre laut aktuellen Studien ( u.a. Judah Cohen 2022 ) logisch, nach denen sich der Polarwirbel nach einem "Stretching" etwas stärker präsentiert. Hier bleibt abzuwarten wie die weitere Enwicklung vor sich geht.
Es sei nochmals wie oft in den vergangenen Winterprognosen erwähnt, zwar kühlt sich die Athmosphäre des Polarwirbel einerseits durch den verstärkten Eintrag von Aerosolen ab, andererseits sorgt die Zunahme des Klimaschädlichen CO2 dafür, daß der Polarwirbel in seiner Gesamtstruktur schwächer bzw. anfälliger wird für starke Warmluftadvektion und dadurch Umkehrung der Windverhältnisse.
Kommen wir zur QBO, der "Quasi binären zweijährigen Schwingung", dies ist vereinfacht
gesagt eine periodisch athmosphärische Welle des zonalen Winds in der
äquatorialen Stratosphäre der Erde.
In der Westphase wird die zonale Zirkulation gestärkt, in der Ostphase geschwächt.
Aktuell befindet sich diese Schwingung im Westmodus:
(C)NASA
Man sieht daß sich nur die "unteren Stockwerke" im negativen Modus befinden, Resultat des negativen NAO-Index und daraus resultierend meridionale Wetterlagen.
Bei den Temps und dem zonalen Wind schaut es aktuell so aus :
(C)ECMWF(C)CPD/JMA
(C)STRATOBSERVE
Der zonale Wind zeigt nach einem deutlichen "Durchhänger" bald wieder deutlich positive Werte, die Temps des Polarwirbel in 10hpa sind
aktuell wieder absteigend, sollen sich aber auf längere Sicht gesehen normalisieren.
Eine länger anhaltende Störung des Polarwirbel durch ein SSW erscheint aufgrund der Prognosen aktuell nicht sehr wahrscheinlich, unmöglich ist diese jedoch, wie schon erwähnt, nicht.
Der Polarfrontjetstream zeigt sich gut strukturiert, allerdings mäandrierend in Ri. Südwest / Süd
(C)WETTERZENTRALE
Kommen wir zur Eurasischen Schneebedeckung.
(C)NOAA
Aktuell zeigt sich die Schneebedeckung deutlich radialsymetrisch ( also entlang der Längengrade ) und somit eher zonalen Wetterlagen zuträglich, allerdings mit deutlich stärkerer Schneebedeckung in Westrussland, und das eher meridionalen Großwetterlagen zuträglich.
Allerdings zeigt sich aber auch daß die Schneebedeckung im Ural, besonders im südlichen Abschnitt, wie schon 2021 deutlich abgeschwächt ist bzw. fast gar nicht vorhanden ist. Dies würde ein Hochdruck-Blocking Ural-Karasee-Barentssee sehr schwer machen, welches ebenfalls durch Dissipation von Schwerewellen in die Troposphäre den Polarwirbel schwächen könnte.
Hier nochmal ein Graph der Schneebedeckung in Eurasien, sehr tief angesiedelt :
(C)JUDAH COHEN AER
Es bleibt abschließend zu konstantieren daß weder die Entwicklung über den Aleuten noch die Entwicklung im Ural dazu führen wird daß hier Blockings stattfinden die den Polarwirbel nachhaltig so stark stören könnten daß der Winter durchgängig kalt wird. Andererseits bleibt der Polarwirbel gestreckt und die NAO tendiert eher zu negativ-neutral, so daß kühlere Abschnitte die Oberhand behalten KÖNNTEN, falls sich die NAO nicht doch in Ri. Jan/Feb 2023 wieder in den positiven Modus entwickelt und gemischte/zonale Wetterlagen dominieren. Die Prognosen aller verfügbaren Modelle zeigen an, daß der Polarwirbel auf längere Sicht bis nach unten hin gestärkt wird und daher eher zonale / gemischte Wetterlagen begünstigt werden. Ob dies so kommt kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu 100% sagen, die Wahrscheinlichkeit ist aber relativ groß.
Bei den Wetterlagen dürften folgende Lagen auftreten; meridionale Wetterlagen wie bspw. u.a. TrM, TrW, TM,HB, TB, desweiteren HNa, HNz, HNFa, HNFz, Na, Nz oder SEz. Bei zonalen und gemischten Wetterlagen die "üblichen Verdächtigen" wie NWz / NWa, BM, HM, SWz, SWa, Wz,Wa,WW.
Die Druckabweichungen vermute ich wie folgt :
(C)KURT HANSEN VIA NOAA
http://squall.sfsu.edu/crws/archive/jet_nh_arch.html
http://es-ee.tor.ec.gc.ca/e/ozone/Curr_map.htm
https://ds.data.jma.go.jp/tcc/tcc/products/clisys/STRAT/