Die prognostizierte Zugbahn von Sturm YULIA ist ähnlich zu jener von Sturm PETRA am 04. Februar 2020, aber rund 200km nördlicher. Im obigen Satellitenbild vom Vormittag sieht man eine ausgeprägte Verwellung mit Warmfrontband über Norddeutschland, wo es zu kräftigen Regenfällen kommt. Die Kaltfront ist noch wenig ausgebildet. Die Jetachse wird durch die gerippten Strukturen innerhalb der Cirrusbewölkung angedeutet, dies deutet auf Schwerewellen und schwere Turbulenzen hin. Entscheidend ist das im weißen Kasten, das mit „kalter Förderband“-Zyklogenese tituliert ist. Dort sieht man nördlich der hochreichenden Schichtbewölkung tiefe flächenhafte Bewölkung. Sie schwimmt auf der kalten Seite des Jetstreams mit und wird sich am Abend zunehmend gegen den Uhrzeigersinn eindrehen. Es handelt sich also um die spätere Okklusionsfront. Das alleine wäre nicht besonders, aber ist insofern bemerkenswert, da es sich um eine Warmfrontwelle handelt. Diese hat sich von der Warmfront des nachrückenden Sturmtiefs ZEHRA abgespaltet, das am Montag von den Britischen Inseln her nachfolgen wird. Dennoch ist im Reifestadium nicht die Warmluft dominant, sondern die Kaltluftbewölkung, aus der die Okklusion geformt wird. Im derzeitigen Übergangsbereich zwischen Kaltluftbewölkung und Jetbewölkung wird sich am Nachmittag und Abend sukzessive sehr trockene Luft stratosphärischen Ursprungs wie ein Keil hineinschieben (Dryslot) und die Tiefdruckentwicklung intensivieren. Dennoch vertieft sich YULIA lediglich um rund 10 hPa auf 991 hPa.
Was macht das Sturmtief also so gefährlich?
1. Es zieht sehr schnell, weil es mit dem Jetstream mitschwimmt. Damit ändert sich der Luftdruck zeitlich schnell und diese, sogenannte isallobarische Druckänderung ist für den Wind entscheidend.
2. Von den Brextinseln rückt rasch das nächste Sturmtief nach. Zum Zeitpunkt des stärksten Windfelds über dem Nordosten von Österreich verstärkt sich bereits ein Tief vor Irland. Mit dem eingelagerten Zwischenhoch steigt der Luftdruck bei uns rasch an.
3. Die Alpennordseite befindet sich im stabil geschichteten Warmsektor. Das begünstigt Föhneffekte und damit kann der kräftige Höhenwind auch ohne Schauerniederschlag zum Boden transportiert werden. Das wird wahrscheinlich schwerpunktmäßig wie bei PETRA im Mühl- und Waldviertel passieren, sowie am Alpenostrand. Außerdem ist die Luftmasse nach Abzug der vorausgegangenen Kaltfront bereits gut durchmischt gewesen, es gibt keine störende Inversion, die ein Herabmischen dämpfen könnte, bzw. kein Niederschlag und im Gegenteil sogar etwas Sonneneinstrahlung.
4. Bei gleichem Druckgradienten weht der Wind in Hochdrucknähe stärker als in Tiefdrucknähe. Das erklärt den stärkeren Höhenwind als bei PETRA, so werden selbst in 3000m Seehöhe am Abend 150 km/h im Mittel erreicht. Manche Modelle rechnen für den Gitterpunkt am Schneeberg Spitzen zwischen 200 und 250 km/h. Ähnliche Windspitzen kann man auch am Göller, auf der Hochfläche der Rax (Scheibwaldhöhe, Dreimarkstein) und Schneealpe sowie am Ötscher und Dürrenstein erwarten, zumindest zwischen 160 und 200 km/h. In den Niederungen verbreitet 90-110 km/h, in Teilen des Mühl- und Waldviertels sowie zwischen Ternitz und Wien sind über 120 km/h möglich. Hier werkelt vor allem der Westföhn.
Auffallend übrigens, wie ruhig die Medien dieses Mal rund um das Sturmtief sind. Bei Sturmtief SABINE am 10.02.2020 gab es zumindest in Österreich einen übertriebenen Hype vor den Auswirkungen, in Deutschland waren die Vorkehrungen (deutschlandweit eingestellter Bahnverkehr) großteils berechtigt.
Die Windvorhersagekarten aller Modelle raten zur allergrößten Vorsicht. Der Höhenwind erreicht in Niederösterreich verbreitet 70-80kt, am südlichen Alpenostrand sogar um 90kt. Das entspricht 160 hkm/h im Mittel! In 600m, also etwa Höhe Anninger erreicht der Höhenwind immer noch um 60kt, also 110 km/h im Mittel. Der Höhepunkt wird zwischen 19 Uhr und 24 Uhr Lokalzeit erreicht, und zwar vor der Kaltfront.
Die Kaltfront selbst zeichnet sich als schmales Band mit erhöhten CAPE-Werten ab, zumindest kräftige Schauer sind mit dabei, nördlich der Donau einzelne Gewitter nicht ausgeschlossen.