Für das Ausmaß von Sturm YULIA am Sonntagabend hielt sich die Berichterstattung ziemlich in Grenzen. Es gab hunderte Feuerwehreinsätze in Ober- und Niederösterreich. Der Grund für das dürftige Interesse scheint klar: Einerseits ist es das ganze Monat schon stürmisch, ein gewisser Gewöhnungseffekt ist eingetreten, der auch die Gefahr birgt, dass künftige Sturmgefahren übersehen werden, anderers dominiert natürlich die Pandemie durch das Corona-Virus alle Nachrichten. Ich bleibe bei dem, was mich interessiert: Der vierte Sturm in diesem Februar, BIANCA, welcher am Donnerstag über Deutschland hinwegziehen wird und in der Nacht auf Freitag Österreich überquert. Das ist wohlgemerkt schon übermorgen und im Gegensatz zu den drei Stürmen davor, sind die Modelle hier noch nicht auf einer Linie, was die Zugbahn betrifft.
Die Ausgangslage – ein Blick auf den Nordatlantik:
Sturmtief ZEHRA dreht inzwischen über Skandinavien seine Kreise, die Okklusion mit der vergleichsweise tiefen Bewölkung ist gut erkennbar. Von der Westukraine über Südpolen, Slowakei, Österreich bis Italien erstreckt sich ein gebogenes Band mit hochreichender (heller) Bewölkung – die verwellende Kaltfront. Über dem Golf von Lyon und den Balearen sieht man eine deutliche Auslenkung, hier stößt gerade hochreichende Kaltluft ins Mittelmeer vor. Das bildet die Grundlage für das morgige Italientief, das in Teilen Kärntens und der südlichen Steiermark den ersten nennenswerten Niederschlag seit Ende November (!) bringen wird. Südlich von Neufundland zieht bereits der mächtige Warmfrontschirm von BIANCA auf. Zu diesem Zeitpunkt liegt der Sturm noch in den Geburtswehen, er bildet sich als Teiltief am Okklusionspunkt der langgestreckten Frontalzone und wird bald einen 45°-Winkel nach Südosten einschlagen, also Richtung Europa ziehen. Ab dem Ärmelkanal scheiden sich dann die Modellgeister.
Zugbahn von BIANCA in den Abendläufen der Globalmodelle:
Folgende Grafik zeigt die mögliche Zugbahn von Orkan BIANCA von Donnerstagmorgen (07 Uhr Lokalzeit) bis Freitagmorgen (07 Uhr Lokalzeit).
Alle Modelle zeigen eine eher südliche Zugbahn, wobei das europäische EZWMF die südlichste Zugbahn zeigt, die über Stuttgart, Straubing und knapp nördlich von Wien weiter zur Niederen Tatra geht. So sah vor zwei Tagen das amerikanische GFS auch noch aus, inzwischen verläuft es etwas nördlicher. Eine Differenz von 50, 100 oder gar 200km macht hier schon viel aus, denn davon hängt ab, wie stark der Leitplankeneffekt am Alpennordrand ist, den wir bereits bei PETRA und YULIA gesehen haben und der vor allem auf prädestinierten Bergstationen wie Säntis, Wendelstein (r.i.p., wurde vom DWD aufgelassen), Feuerkogel und Schneeberg für Windspitzen von 180 bis 250 km/h sorgen kann. Auch im Flachland kann eine südliche Zugbahn beträchtliche Windspitzen hervorrufen, also Orkanböen über Süddeutschland bis weit in den Donauraum hinein.
Wahrscheinliches Erscheinungsbild von BIANCA:
Das Schweizer Lokalmodell mit 1x1km Auflösung rechnet wie EZWMF und GFS eher mit einer südlichen Zugbahn, das ist bei der Interpretation des Bildes im Hinterkopf zu behalten. Zum Zeitpunkt der Simulation befindet sich der Kern über dem Westen von Tschechien. Die Okklusion hat sich sichtbar eingedreht und reicht bis nach Oberösterreich. Die Kaltfront ist wenig ausgeprägt, was meine Antennen sensibilisiert.
Tatsächlich zeigt die Jetstream-Analyse die Entwicklung einer double jetstream configuration, die Voraussetzung für eine Shapiro-Keyser-Zyklone ist und in weiterer Folge die Entwicklung eines Sting Jets verursachen kann.
Das Tief wird weitgehend okkludiert auf Süddeutschland und die Schweiz treffen, das impliziert, dass das Reifestadium bald erreicht ist und sich das Tief am Weg Richtung Tschechien bereits auffüllen wird.
Und damit zu den Gefahren von Orkan BIANCA:
- Wie schon bei YULIA und PETRA sorgt die rasche Verlagerung des Sturms für einen starken isallobarischen Druckanstieg. Dieses Mal rückt das Zwischenhoch allerdings wesentlich rascher nach. Innerhalb von rund 18 Stunden steigt der Luftdruck um über 30 hPa an.
- Durch den niedrigen Kerndruck von unter 990 hPa liegen die Höhendruckflächen um rund 300m niedriger als im Durchschnitt. Der Mittelwind an der Südflanke wird recht flächendeckend mit 60-70kt erwartet, nur dieses Mal auf 1200m Höhe statt 1500m. Damit kann der starke Höhenwind leichter zum Boden transportiert werden.
- Durch den okkludierten Zustand ist viel mehr Höhenkaltluft beteiligt als bei den Vorgängern. Auch das begünstigt den vertikalen Impulstransport und das Herabmischen des kräftigen Höhenwinds.
- Die nachfolgende Kaltluftzufuhr fällt deutlich dieses Mal markanter aus, in 1200m sinken die Werte hinter der Front unter -6 Grad C ab. Die Nullgradgrenze sinkt auf rund 400-500m. Im Fall durchziehender Niederschläge drohen Blizzard-Bedingungen, etwa verbreitet im Mühl- und Waldviertel aber auch am Alpennordrand.
- Der nordwestlichere Wind wird zwar wahrscheinlich keinen neuen Schneebergrekord bringen, aber verbreitet auch an der Alpensüdseite mit stürmischen Nordföhn durchgreifen.
- Ob sich an der Spitze der eingeringelten Okklusion ein Sting Jet ausbilden kann, ist momentan noch unsicher. Es kann dann auch ohne Schauer oder Gewitter Orkanböen am Boden geben.
Die schiere Kraft des Windfelds hinter der Kaltfront/Okklusion zeigen jedenfalls alle Modelle inklusive Lokalmodelle durch außergewöhnlich heftige Mittelwinde in 10m-Höhe.
Über Süddeutschland werden in einem breiten Streifen Mittelwinde zwischen 25kt und 38kt gerechnet. Die Spitzenböen würden dann verbreitet bei 50-60kt liegen, in freien Lagen auch mehr. Der Tiefdruckkern liegt hier über Thüringen.
Das bodennahe Starkwindfeld würde unter leichter Abschwächung den Norden von Österreich überqueren. Dabei verschärfen sich aber wegen dem Leitplankeneffekt und sich intensivierenden Druckanstieg die Höhenwinde (in 1200-1300m verbreitet 70kt). Wenn die Wettermodelle so ein starkes Durchschlagen der Höhenwinde auf den Bodenwind zeigen, heißt es besonders genau hinschauen.
Aufgrund der Uhrzeit, wie schon bei den vorherigen Stürmen mit Ausnahme PETRAS, trifft es es vor allem die Nachtstunden, sodass sich die Verkehrsauswirkungen und potentielle Freizeitunfälle (Spaziergänge trotz Sturmwarnung im Wald) in Grenzen halten sollten. Im Osten von Österreich wird er aber im Freitagfrühverkehr spürbar sein.
Nun bleibt die abschließende Frage, welche Schweinderlzugbahn BIANCA letzendlich nehmen wird und ob ein Sting Jet mit von der Partei sein wird.