30.4.19: Tornados in Rumänien so ungewöhnlich?

Ein Tornado hat gestern im Osten von Rumänien einen Reisebus erfasst und Dutzende Meter durch die Luft gewirbelt, ehe er auf ein Feld krachte. Von den 40 Insassen wurden dabei mindestens zwölf verletzt, vier von ihnen schwer, berichteten Medien.

Der Tornado verfehlte anschließend knapp das Dorf Dragalina, deckte jedoch laut Medienberichten einige Dächer ab und entwurzelte Bäume. Angesichts dieses für Rumänien ungewöhnlichen Wetterphänomens warnten Meteorologen vor möglichen weiteren Windhosen, vor allem in der Tiefebene.

 

abgerufen am 01.05.2019, 12.23 MESZ

Dazu gibt es eine Studie von Antonescu & Bell (2014), die die Tornadohäufigkeit zwischen den Jahren 1822 und 2013 untersucht hat. Zwischen 1822 und 1944 wurden 33 Tornados registriert, zwischen 1945 und 1989 nur 7, von 1990 bis 2013 immerhin 89 Tornados. Die meisten traten zwischen Mai (36 Fälle) und Juli auf, am häufigsten im Osten des Landes mit Schwerpunkt Südosten.

Der kürzliche Tornado ereignete sich im Südosten von Rumänien.

In seinem Blog hat Co-Autor Antonescu eine Karte über die das Auftreten der registrierten Tornados aus dem obigen Papers präsentiert.

Fazit: Tornados sind in Rumänien alles andere als ungewöhnlich. Nicht zufällig modernisierte der rumänische Wetterdienst ab dem Jahr 2000 sein Radarnetzwerk und setzte hochaufgelöste Dopplerradarsysteme ein, um Schwergewitter besser zu erfassen.

Zum Ereignis selbst: Der Tornado ereignete sich laut ESWD-Eintrag um 14.25 UTC.

Die Wetterlage war ganz typisch für Schwergewitter: Ein markanter Höhentrog über Serbien und Rumänien schwenkt mit seiner Trogachse (blau eingezeichnet) von Bulgarien her Richtung Ostrumänien durch. Auf der Trogvorderseite entstand ein flaches Bodentief („T“, im roten Kreis), das östlich der Karpaten nordwärts zog. Östlich der Tiefdruckrinne am Boden herrschten feuchte und labil geschichtete Luftmassen mit mäßigen Ostwinden. Darüber zog eine straffe Südströmung.

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Quelle: http://www1.wetter3.de/

Im Wetterballonaufstieg von Bukarest (12 UTC), 100km westlich des Tornadoereignisses, zeigen sich auch klassische Bedingungen für Tornados. Labil geschichtet bis nahezu Tropopausenniveau. In Höhe der Ambosswolke (ca. 7-8km und darüber) wehte kräftiger Südwestwind mit über 50kt. Das sorgt für die Trennung von Auf- und Abwinden von Gewitterzellen und damit langlebigere Konvektion. Im unteren Bereich eine deutliche Winddrehung (von Ost auf Süd) und Zunahme des Windes mit der Höhe (von 10kt Süd auf 50kt Süd). Das ermöglicht rotierende Gewitter (Superzellen). Für Tornadoes günstig die sehr niedrige Wolkenbasis (ca. 700m Meereshöhe), wodurch die Rotation nur eine kurze Wegstrecke zum Boden zurücklegen muss. Weil die Windzunahme in Höhe der Wolkenbasis nicht extrem ausfällt, blieb ein verheerender Tornado aus.

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Quelle: http://weather.uwyo.edu/upperair/europe.html

Im Wasserdampfbild von 15 UTC befindet sich im weißen Kreis eine markante kalte Wolkenoberfläche in Traubenform, es handelt sich um ein sogenanntes mesoskaliges konvektives System (MCS), d.h., ein großer Multizellencluster. Wolkenobergrenzentemperaturen von -60°C werden im Vertikalprofil oben erst über der Tropopause erreicht. Großer Hagel ist dann sehr wahrscheinlich.

Im Bereich des schwarzen Pfeiles wird hingegen trockenere Luft rückseitig der Kaltfront herangeführt, die aus großen Höhen absinkt und dadurch die Luftmassen erwärmt. Man spricht von einer Dry Intrusion. Dies deutet häufig auf markante Bodentiefentwicklungen hin.

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Quelle: https://www.nrlmry.navy.mil/nexsat-bin/nexsat.cgi

Im sichtbaren Satellitenbild von 17.00 Lokalzeit (Rumänien: UTC+3h) erkennt man gut die Abgrenzung von dem Gewittercluster zu dem fast wolkenlosen Bereich mit der deutlich trockeneren Luft weiter westlich. Das Bodentief lag zu dem Zeitpunkt schon deutlich weniger nördlich. Rasche Verlagerung am Boden spricht für rasch wechselnde und durchaus kräftige Bodenwinde, was die bodennahe Windscherung und Tornadogefahr erhöht.

Die Tornado-Gewitterzelle befand sich am Südrand des großräumigen Gewitterclusters, also an einer Stelle, wo sie nicht von umgebenden Gewitterzellen gestört werden kann. Langlebige Rotation ist dann möglich, die Entstehung des Tornados wird nicht behindert.

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Quelle: https://kachelmannwetter.com/de/sat/rumaenien/satellit-hd-5min/20190430-1500z.html

Die Häufigkeit der Tornados in dieser Region ist durch die Nähe zum Schwarzen Meer erklärbar. Vergleichbar mit dem Golf von Mexiko („Tornado Alley in den USA“) oder der Nördlichen Adria (Tornados in der Poebene) ist auch das Schwarze Meer eine exzellente Energiequelle – feucht und warm -, die angezapft werden kann, sobald sich östliche Winde einstellen. Mit der kräftigen Südströmung und bodennahen Tiefdruckentwicklungen entstehen dann die Konstellationen, die Schwergewitter und Tornados begünstigen.

 

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Über Forscher (in Kooperation mit Meteoerror)

Quelle: Blog | https://meteoerror.wordpress.com ein Medienwatchblog, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung meteorologischer Sachverhalte in den Medien liegt. über den Autor: abgeschlossenes Diplom-Studium der Meteorologie & Geophysik in Innsbruck | seit 2010 Berufsmeteorologe | umfassendes Interesse für meteorologische Phänomene wie Föhn, Tornados, Gewitter, Schnellläufer (Stürme), Talwindsysteme | fühlt sich dem Gewissen verpflichtet, über irreführende Darstellungen meteorologischer Sachverhalte in den Medien aufzuklären.