Warum braucht Österreich drei Wetterdienste?

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Schauerwolke im Landeanflug auf Frankfurt-Main

Im KURIER vom 06. März 2019 wurde eine Minireform bei den Wetterdiensten angekündigt.  Die Geologische Bundesanstalt (GBA) und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) werden 2020 zusammengelegt zur „Bundesagentur für Meteorologie und Geologie“. Davon unberührt bleiben der Flugwetterdienst der Austro Control und der militärische Wetterdienst des Bundesheeres.

Der Autor des Zeitungsartikels formuliert zugespitzt:
Österreich hat zwar weiterhin bloß ein Wetter, aber auch 2020 noch drei Wetterdienste.
Falsch! Österreich hat mehrere Wetter, deswegen gibt es auch mehrere Wetterdienste: Wetter für die Allgemeinheit unterscheidet sich fundamental vom Wetter für den Flugverkehr und etwa dem Wetter für das staatliche Radio und Fernsehen (ORF).

Zweidimensional versus dreidimensional

In der Regel ist das Wetter für die Allgemeinbevölkerung zweidimensional, d.h., es geht um Wetterphänomene am Erdboden: Brauche ich einen Schirm? Muss ich mein Auto in die Garage stellen? Muss ich den Gehsteig streuen? Kann die Wäsche auf dem Balkon trocknen? Dann gibt es noch ein erhöhten Klärungsbedarf für Rettungseinsätze und Feuerwehr, wenn es um Unwetterereignisse geht wie Hochwasser, Gewitterschäden, Schneedruck und Sturmschäden, aber auch banalere Phänomene wie extremer Frost oder extreme Hitze. Außerdem kommen hier noch besondere Kundenanforderungen, etwa von der Landwirtschaft und Energiesektor hinzu. Im Tourismus möchte man am liebsten nur Schönwetterprognosen, damit die Gäste „trotzdem“ kommen.
Etwas völlig anderes sind hingegen die Prognosen für die Luftfahrt: Hier ist das Wetter auch in der Vertikalen entscheidend: Ist die Schichtung labil oder stabil, sind Turbulenzen und Vereisung möglich? Wo, wann und wie häufig treten Gewitter auf? Kann man noch zwischen den Gewittern hindurchfliegen oder muss man großräumig ausweichen? Was dem Durchschnittsbürger oft egal ist, spielt in der Luftfahrt die entscheidende Rolle: Sind Sichten und Wolkenuntergrenzen noch ausreichend für den Rettungseinsatz des Hubschraubers? Kann ein optimaler Verkehrsfluss erreicht werden oder müssen die Kapazitäten eingeschränkt werden? Kann trotz starken Seitenwinds noch gelandet werden oder muss ausgewichen werden?

Flugwetter ist weder ein eigenes Studium noch Teil des Meteorologie-Studiums

Derzeit ist es so, dass das Studium der Meteorologie und Geophysik in Deutschland und Österreich den Bereich Flugwetter nicht abdeckt. Man kann hier höchstens Wahlfächer besuchen. Es ist sogar so, dass selbst die Wettervorhersage, also das, was der Durchschnittsmensch unter Meteorologie versteht, im Studium nur einen Bruchteil ausmacht! Meteorologie wird nicht zu Unrecht Atmosphärenphysik genannt. In Deutschland ist das Studienfach Meteorologie nichts anderes als ein Grundstudium Physik mit Nebenfach Meteorologie, erst im Masterstudium kommt ein kleiner Teil Wettervorhersage vor, ist aber selten wirklich tiefgreifend praxisnah. Der Großteil des Studiums dreht sich um komplexe physikalische, mathematische und statistische Zusammenhänge. Je nach Uni kann man sich spezialisieren auf Klima, Gletscherforschung, Wolkenphysik und andere Bereiche, die nichts direkt mit der Wettervorhersage zu tun haben. Einen größeren Stellenwert hat diese schon immer in Innsbruck und Wien eingenommen, ist aber selbst hier nicht der Schwerpunkt. Die Mehrheit der Absolventen geht in Forschung & Entwicklung, in die Privatwirtschaft
(Versicherungen, Energieversorger, private Wetterdienste, Funk & Fernsehen) oder findet dauerhaft keine Anstellung im meteorologischen Bereich, weil es nur wenige Arbeitsplätze gibt.
Eine eigene Flugwetterausbildung gibt es nur bei der Flugsicherung Austro Control selbst, die Monate in Anspruch nimmt. In Deutschland etwa sind Flugsicherung (DFS) und Flugwetter (vom DWD bereitgestellt) räumlich und organisatorisch getrennt. Auch dort ist die Wettervorhersage am Flughafen eine eigene Ausbildung.

Geldverschwendung? Besserung durch Fusionierung?

Die in den allermeisten Belangen durchaus vergleichbare Schweiz kommt seit vielen Jahren mit einem nationalen Wetterdienst aus. Zuletzt war die Geldverschwendung durch die seinerzeit vier Wetterdienste 2011 Thema […]

Fusionierungen bringen selten das Einsparungsziel, für das sie veranschlagt werden, dafür gibt es genügend Beispiele aus der Vergangenheit. In der Schweiz haben die Kosten für die Zusammenlegung der militärischen und zivilen Flugsicherung  mehr als das Doppelte der geplanten Fusionierungskosten verursacht (35 statt 15 Millionen Franken). Die geplante Fusionierung der staatlichen Gebietskrankenkassen in Österreich zur Österreichischen Krankenkasse wird den Steuerzahler jedenfalls signifikant mehr kosten als kolportiert. In der Steiermark sind nach der Strukturreform im Jahr 2015 in 97% der Fusionsgemeinden die Verwaltungskosten gestiegen und nicht gesunken. Aber auch reine Privatisierung bringt keine wirkliche Kostenersparnis und geht langfristig zulasten der Bevölkerung, wenn man sich etwa die Deutsche Bahn (DB) anschaut. Im Fernverkehr betrug die Pünktlichkeit 2018 nur 77,5%, im Nahverkehr immerhin 94,5%. Bei der weiterhin staatlich geführten ÖBB für Nah- und Fernverkehr 96% (Quelle). Dazu kommen Kapazitätsengpässe durch veraltete und marode Züge, Schienennetze, mangelnde Hochgeschwindigkeitsstrecken, zu kurze Bahnsteige und akuter Personalmangel (Zugausfälle durch fehlende Besetzung der Stellwerke, usw.). Dass eine chronische Überbelastung des Personals sicherheitsrelevant ist, muss man wohl nicht extra betonen – man kennt das aus anderen Berufen wie in der Pflege oder bei den Ärzten.

Überschaubares Wetter oder komplexe Anforderungen?

Ziel Mosers und all seiner Vorgänger war stets ein Wetterdienst für das überschaubar große Bundesgebiet.

Auch eine Zusammenlegung von Wettervorhersagen und Warnungen für die allgemeine Bevölkerung, Landwirtschaft, Hydrologie, Flugwetter, Medienwetter und Militärwetter ändert nichts daran, dass es für unterschiedliche Kundenanforderungen unterschiedliche Ausbildungen braucht. Ich habe selbst jahrelang für Tageszeitungen Wettervorhersagen mitsamt Bio- und Mondwetter verfasst. Mit diesem Wissen könnte ich nicht von heute auf morgen einen Piloten beraten oder eine Flugplatzprognose erstellen. Selbst für eine ORF-Wetterprognose im Radio oder Fernsehen bräuchte wieder eine eigene Ausbildung (Sprach- und Präsentationstraining). Hierzulande ist das Medienwetter ohnehin unterentwickelt und wird zu wenig Beachtung geschenkt, was sich in sehr allgemein gehaltenen Informationen, manchmal beschönigt, und häufig zeitlich sehr knapp bemessen bemerkbar macht. In anderen Ländern wird das Programm für Unwetterwarnungen unterbrochen, um die Bevölkerung auf potentielle Gefahren rechtzeitig und umfassend hinzuweisen.

Unterm Strich würde sich an der Notwendigkeit von ausreichend Personal für alle oben aufgezählten Teilbereiche nichts ändern. Alleine strukturell und organisatorisch erscheint es sinnvoll, dass Flugwetter bei der Flugsicherung bleibt, und das Medienwetter beim staatlichen Rundfunk. Der Arbeitsaufwand bleibt identisch, egal ob es eine oder drei Behörden gibt. Mag sein, dass das in der Schweiz unter einem Dach funktioniert, dort ist es aber auch historisch so gewachsen und auch dort wird es spezielle Ausbildungen für spezielle Fachbereiche geben müssen. Sparen wir also nicht an den falschen Stellen und urteilen nicht vorschnell über eine Materie, ohne uns vorher seriös informiert zu haben.
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Über Forscher (in Kooperation mit Meteoerror)

Quelle: Blog | https://meteoerror.wordpress.com ein Medienwatchblog, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung meteorologischer Sachverhalte in den Medien liegt. über den Autor: abgeschlossenes Diplom-Studium der Meteorologie & Geophysik in Innsbruck | seit 2010 Berufsmeteorologe | umfassendes Interesse für meteorologische Phänomene wie Föhn, Tornados, Gewitter, Schnellläufer (Stürme), Talwindsysteme | fühlt sich dem Gewissen verpflichtet, über irreführende Darstellungen meteorologischer Sachverhalte in den Medien aufzuklären.