So mancher Bewohner am Alpennordrand wurde am Morgen des Heiligen Abends unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich hatte das Fenster offen und reagierte eher geistesgegenwärtig, als ich es draußen klappern hörte und sofort hellwach war. Plötzlich tat es einen Knall, ein greller Blitz und lautes Donnergrollen. Dazu schwere Sturmböen und Starkregen wie bei einem sommerlichen Gewitter. Das Gewitter dauerte etwa zwanzig Minuten, der Sturm war nach wenigen Minuten vorbei. Gegen Ende mischten sich Schneeflocken zum Regen hinzu. Nach Tief VAIA (29/30.10.18) und Sturmtief FABIENNE (23.9.18) war die Kaltfront von Sturmtief TETE das eindrucksvollste Wettereignis der letzten drei Monate. Entlang der Nordalpen führten die Bäche und kleineren Flüsse aufgrund von Starkregen und Schneeschmelze verbreitet ein 1-5jähriges Hochwasser, zudem kam es zu Murenabgängen (Vorarlberg, Allgäu).
Entwicklung von Tief TETE im Satellitenbild
Drei Stunden nach dem Bild aus dem Titel hat die Kaltfront bereits die Nordalpen überquert. Das Besondere an dieser Kaltfront ist, dass präfrontal und postfrontal ein skaliges Regengebiet eingelagert (skalig: überwiegend stratiform, aber konvektiv verstärkte Niederschlagsraten). Daher lässt sich aufgrund des Satellitenbilds nicht gut auf die Position der Kaltfront schließen. Rückseitig taucht hochreichende Bewölkung auch über Tschechien auf, welche zur Okklusion des zu diesem Zeitpunkt noch flachen Tiefdruckgebiets gehört. Die Kaltfront selbst ist in der zweiten Nachthälfte zeitweise über 1200km lang und reicht vom Norden Frankreichs bis nach Niederösterreich.
Mittags hat die Kaltfront den Ostalpenraum vollständig überquert, dahinter strömt labil geschichtete Polarluft nach, mit weiteren Schneeregen- und Graupelschauern. Die Okklusion befindet sich nun über dem Osten Ungarns bzw. dem Südwesten der Ukraine. Auffallend ist das gerippte Muster an der Kaltfront bis in den Warmsektor, es deutet die Lage des Jetstreams bzw. dessen linken Ausgang an. Hier bilden sich durch die starke Höhenströmung Schwerewellen aus. Man sieht sie recht häufig zusammen mit Gewitterlinien (so auch bei KYRILL, EMMA und FABIENNE).
Ein Bild vom 1. Feiertag am Abend. Das Sturmtief besitzt bereits eine eingeringelte Okklusion, die Warmfront ist immer noch sehr ausgeprägt, während die Kaltfront unter reichlich hoher Bewölkung verschwindet. Daran schließt eine deutliche Verwellung an und eine weitere über dem südlichen Mittelmeer, letztere jedoch mit deutlich niedrigeren Wolkenobergrenzen, da schon weit aus dem Höhentrog herauslaufend und damit in Stabilisierung befindlich.
Wetterablauf der Kaltfront im Alpenraum bzw. Süddeutschland
Um 04 Uhr liegt die extrem schmale, in ein Regengebiet eingebettete Kaltfront über Süddeutschland, wie auch bei der Kaltfront von FABIENNE sind die linienförmigen Radarechos in Verlagerungsrichtung vorgewölbt („Bogenechos“), was auf lokal schwere bis orkanartige Sturmböen schließen lässt.
Wenige Minuten vor Beginn der Gewitter in Salzburg hat sich die Kaltfront nochmals intensivert. Durch den rapiden Temperaturückgang rückseitig der Front geht der Niederschlag von Regen in Schnee über, was die Ausbildung eines Bright Bands zur Folge hat (Echointensivierung durch schmelzende Schneeflocken, die mit einem dünnen Wasserfilm glasiert sind).
Die 6-stündigen Windspitzen bis 07 Uhr zeigen das Maximum im Chiemgau und Flachgau, mit verbreitet 90-100km/h, am Feuerkogel wurden 156 km/h gemessen.
Beeindruckend ist der Druckanstieg mit Kaltfrontdurchgang, um 07 Uhr MEZ bereits verbreite 30er bis 70er Anstiege.
Um 8 Uhr kurzzeitig sogar um 10 hPa in 3 Stunden über Chiemgau und Flachgau.
Das transportierte Gewitterpotential auf engstem Raum ließ sich auch gut anhand der Bodentaupunkte ablesen. Um 3 Uhr MEZ befindet sich eine Zone mit 9-10°C Taupunkte über der Mitte Süddeutschlands.
Unmittelbar vor Beginn der Gewitter am Alpennordrand hat sich die Zone unter leichter Abschwächung (7-9°C) herangeschoben. Davor und danach deutlich niedrigere Taupunkte.
Zeitgleich mit den Gewittern weitere Abschwächung auf 6-8°C und Verschärfung des rückseitigen Taupunktsgradienten (2-4°C).
Großwetterlage zum Zeitpunkt des Kaltfrontdurchgangs
Die Kaltfront befindet sich trogvorderseitig direkt unter einem markanten Jetstreak mit über 110kt in 300 hPa. Genau genommen handelt es sich um zwei Jetstreams, einem über Tschechien und einem schwächeren über Benelux. Die Gewitter traten sowohl im linken Ausgang des schwächeren als auch im rechten Eingang des stärkeren Jetstreams auf, also unter maximalem Hebungsantrieb. (Höhendivergenz = oben fließt viel Masse weg, die aufgrund der Massenerhaltung von unten nachströmen muss ==> starke Aufwärtsbewegung)
Das Tiefdruckgebiet befindet sich bodennah zum Zeitpunkt des Frontdurchgangs über Ungarn/Slowakei, man sieht die Drängung der Isohypsen (Windbeschleunigung) in rund 1400-1500m Höhe.
Modellvorhersagen (Auswahl)
Damit es nicht zu umfangreich wird, hier nur eine Auswahl bestimmter Modellkarten.
Selbst das Globalmodell EZMWF hat den kleinräumig intensiven Niederschlag an der Kaltfront erfasst, wenn auch zu weit nördlich (zu langsam im Modell).
Das Britische Lokalmodell ist von der Position her schon besser.
Das deutsche Lokalmodell zeigt ebenso einen linienförmige Verstärkung des Niederschlags mit präfrontal ausgeprägtem Niederschlagsgradienten (von 1-2 auf 5-7mm/h).
Der zugehörige Höhenwind in 1500m zeigt präfrontal stürmischen Westwind mit 50-60kt, dann entlang der Linie (grün) eine markante Windabnahme (Niederschlagsabkühlung bodennah so stark, dass Höhenwind entkoppelt wird) und dahinter nochmal auffrischenden Nordwestwind mit 40-50kt. Das entspricht den Beobachtungen (nach den ersten Sturmböen kurzzeitig fast Windstille, dann nochmal stürmisch) und wurde so auch bei der Kaltfront von Orkan KYRILL am 18.Jänner 2007 beobachtet.
Die gerechneten Niederschlagsmengen von GFS sind bereits ein starkes Warnzeichen für hochreichende Konvektion, gemeinsam mit der Drängung der Isolinien der Nullgradgrenze (starker Temperaturrückgang). Niederschlagsraten von 15-20mm/3 Std. sind nur mit heftigen Regenschauern und Gewittern denkbar.
War die schmale Linienform der Gewitter erkennbar?
Ja! In den hochaufgelösten Wettermodellen von COSMO (2.2km), WRF-Wetterzentrale (5km) und WRF-Kachelmann (1x1km) konnte man die Linie schon in den Prognosen vom Vortag wiederfinden!
Die Linienform ist deutlich erkennbar und stimmt mit der Position der Kaltfront überein. Die CAPE-Menge ist minimal (10-100 J/kg), aber offenbar ausreichend.
Im GFS-WRF der Wetterzentrale war die Linie sogar noch deutlicher und durchgehender zu sehen, Werte hier von 50 bis 200 J/kg reichend. Immer noch minimal, aber nicht nichts!
Note 1 mit Sternchen erhält das hochaufgelöste WRF (in GFS genestet) mit einer der Realität sehr nahe kommenden schmalen Gewitterlinie mit hoher Reflektivität.
Die Radiosondenaufstiege von Linz, München, Stuttgart und Kümmerbruck verdeutlichen den Kaltfrontdurchgang anschaulich:
Linz unmittelbar vor Kaltfrontdurchgang, München weiter davor. In beiden fällen hochreichend sehr feucht und stark geschert, im Linzer Fall feuchtneutral in den unteren Luftschichten. PWAT (Gehalt niederschlagbaren Wassers der gesamten Luftsäule) für die Jahreszeit sehr hoch um 22 mm.
Hohe PWAT-Werte auch bei Stuttgart und Kümmersbruck vor der Front, danach deutlicher Rückgang (morgens 12mm in Kümmersbruck und mittags 7mm in Stuttgart), eingezeichnet (blau) zudem die Nullgradgrenze. Man sieht, wie es in allen Höhen deutlich kälter wird, am deutlichsten unterhalb von ca. 700 hPa zu sehen. In Kümmersbruck ist auch das bodennahe Einströmen der Kaltluft unterhalb 850 hPa gut erkennbar anhand der nach links ausbeulenden Temperaturkurve.
Wenn man sich jetzt die 8-10°C Taupunkte mit den Gewittern bei den Aufstiegen von Linz und München vorstellt, kommt man in etwa auf die gerechneten 50-100 J/kg CAPE und sommerliche Gewitterwolken-Obergrenzen von 7-8km. Durchaus bemerkenswerte Profile für den Frühwinter.