Leider kratzt dieser Artikel (abgerufen am 27.09.19, 19.48) nur an der Oberfläche der Frage, welchen Nutzen Wetter-Apps für den Normalverbraucher haben. Die meisten App-Anbieter nutzen das kostenlose GFS-Modell aus den USA, während besser aufgelöste europäische EZWMF-Modell kostenpflichtig ist, was sich viele werbefinanzierten Anbieter nicht leisten können.
Als Nachteile von GFS werden genannt:
Der Nachteil: Es ist auf US-amerikanische Bedürfnisse zugeschnitten, also weite Landschaften mit weitgehend gleichen Wetterbedingungen.
Das Problem dieser Vereinfachung: Die Modellauflösung ist nicht alles, es hängt vor allem davon ab, was und wo es vorhergesagt wird, sowie auch für welchen Zeitraum. Ich arbeite im beruflichen Kontext seit über 9 Jahren neben zahlreichen anderen Modellen auch mit dem amerikanischen Wettermodell. Kleinräumige Schauer- und Gewitterniederschläge werden im kostenpflichtigen EZMWF-Modell nicht zwingend besser aufgelöst als im GFS-Modell. In den Alpen mit seinen steilen, engen Tälern haben alle Modelle Probleme mit punktgenauen Temperaturvorhersagen, insbesondere wird wird die nächtliche Abkühlung bzw. tageszeitliche Erwärmung oft nicht richtig modelliert. Eine zufriedenstellende App für hügeliges bzw. alpines Terrain gibt es meines Wissens nicht.
Was ganz an den Anfang des Artikels gehört hätte: Wetter-Apps liefern Interpolationen für Punkte (Ortseingabe oder PLZ). Jedes Wettermodell hat ein Gitterpunktsnetz mit bestimmten Abständen. Schauer- und Gewitterzellen rutschen da normalerweise durch und werden gar nicht aufgelöst.
Ein Beispiel eines Lokalmodells, hier das deutsche COSMO, dessen Gitterpunktsabstand 2.2km beträgt (bei EZWMF sind es 9km und bei GFS 13km). Die roten Symbole sollen zufällig gewählte Punktprognosen darstellen:
Zur Interpretation: Es handelt sich um eine Schauerwetterlage. Die länglichen Niederschlagsstreifen deuten die Zugbahnen der Schauer an. Je nachdem, wo man in die Prognosekarte hineinsticht (rote Sterne), würde die Wetter-App niederschlagsfrei oder starke Niederschläge anzeigen. Problem: Bei Schauerwetterlagen sind derart kleinräumige Vorhersagen, insbesondere für eine 27-Stunden-Prognose, unseriös!
Zum Vergleich die 3-Stunden-Niederschlagsprognose von GFS für 14-17 Uhr MESZ:
Davon abgesehen, dass die Prognose des beteiligten Sturmtiefs vom vorherigen Modell abweicht, wird der Niederschlag wegen der geringeren Modellauflösung über eine größe Fläche „verschmiert“. Die Wetter-App wird in ganz Norddeutschland also Niederschlagssymbole anzeigen. Die Wahrheit liegen zwischen beiden Modellen: Es werden sich Schauerzugbahnen im Wetterradar zeigen, aber nicht zwingend zum selben Zeitpunkt und Ort, wie es das hochaufgelöste COSMO-Modell modelliert. Wo die Schauer letzendlich entlang ziehen, kann kein Wettermodell am Vortag wissen. Das muss einem klar sein, wenn man in seine Wetter-App guckt und strahlenden Sonnenschein sieht, während man für den Nachbarort vielleicht ganztägig Schauersymbole angezeigt bekommt.
Größere App-Anbieter ziehen mehrere Berechnungsmodelle heran und verwenden dazu Daten lokaler Wetterdienste (etwa des österreichischen Zentralamts für Meteorologie und Geodynamik, ZAMG) sowie selbst entwickelte Modelle. Während die solcherart berechneten Prognosen manchmal rein maschinell erstellt und publiziert werden, werden sie an anderer Stelle von ausgebildeten Meteorologenteams überprüft und freigegeben – vor allem bei ungewöhnlichen oder extremen Wetterphänomenen.
Klingt sehr schwammig ohne Definition, was ungewöhnlich oder extrem ist.
Die Zukunft gehört allerdings der automatischen Wettervorhersage, ist Templin überzeugt: „Bei der Fülle an Daten ist es einfach nicht mehr machbar, dass die von Menschen überarbeitet werden.“
Traurig, wenn das ein Meteorologe sagt. Immerhin ist das unser Brotberuf, der durch maschinelle Prognosen ersetzt würde. Ich bin anderer Meinung und vergleiche unseren Beruf gerne mit dem eines (seriösen) Journalisten. Wir sichten die Fülle an Daten und entscheiden aufgrund unserer Erfahrung, was davon herausgefiltert werden muss und wsa nicht. Nachdem sich das von Wetterlage zu Wetterlage ändert, lässt sich das auch durch Algorithmen nicht automatisieren. Es wird immer einen Menschen brauchen, der Daten aussortiert, interpretiert und sein OK gibt. Ja, das ist ein Kostenfaktor, aber vollautomatisierte Produkte haben nicht nur Vorteile:
Im Kontext der Klimaerwärmung nehmen Extremwetterphänomene, aber auch ungewöhnliche Großwetterlagen zu. Obwohl die Auflösung der Wettermodelle im Jahr 2019 so hoch ist wie noch nie seit Beginn der Computerära, haben sie mit der Prognose von Unwettern und eng begrenzten Stürmen weiterhin große Probleme. In den letzten Jahren haben beständige Tiefdrucklagen mit geringen Winden in allen Höhen zugenommen. Das erschwert vor allem die Prognose von Schauern und Gewittern bzw. der Zugbahn und Verweildauer von Niederschlagsgebieten allgemein. Wenn man hingegen auf vollautomatisierte Prognosen vertraut, kann es passieren, dass „man den herrlichen Sonnenschein aus dem Keller pumpen muss.“
Welche App welche Datenquellen und Analysemethoden verwendet, das ist meist schwer bis gar nicht ersichtlich. Die Prognosen von Apps unterscheiden sich klarerweise umso mehr, je weiter man in die Zukunft blickt. Während sich einige Apps nicht über eine Vorhersage über fünf Tage hinauswagen, liefern andere erwartbare Trends für bis zu zwei Wochen. Die Genauigkeit dieser Berechnungen ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen. „Die ersten Prognosemodelle gab es in den 60er-Jahren. Damals konnte man nur zwei bis drei Tage im Voraus berechnen“, […]
Vorsicht – hier werden zwei unterschiedliche Vorhersagemethoden vermengt. Prognosemodelle sind etwas anderes als Wetter-Apps. Modelle liefern Flächenanalysen und -vorhersagen für große Gebiete, während Wetter-Apps die erwähnten Punktprognosen liefern sollen, was nichts anderes als „direct model output“ (DMO) ist. In den 60er Jahren gab es mangels Smartphones naturgemäß noch keine Apps. DMO gibt es schon viel länger, man findet ihn in Form von Meteogrammen, was lediglich eine andere Darstellungsform einer Wetter-App ist.
Hier ein Beispiel für DMO aus dem GFS-Modell, für München.
Und hier ein Beispiel für ein Prognosemodell (GFS) in der Flächendarstellung, mit dem Meteorologen üblicherweise arbeiten:
Quelle beider Karten: www.wetterzentrale.de
Ein Meteogramm mit DMO für einen Punkt muss anders interpretiert werden als eine logischerweise viel komplexere Flächenkarte.
Wie Forscher betonen, ist es dennoch unmöglich, hundertprozentig zutreffende Wetterprognosen zu generieren. Minimale Veränderungen in der Atmosphäre können auf lange Sicht gesehen große Auswirkungen haben.
Am linken unteren Bildrand taucht ein kräftiges Tief auf, es handelt sich um Hurrikan LORENZO. Die Zugbahn, Intensität und Umwandlung von Tropenstürmen in Tiefdruckgebiete der gemäßigten Breiten ist immer wieder ein großer Unsicherheitsfaktor in der Mittelfristprognose (hier: von heute Freitag bis kommenden Dienstag). Je nachdem, wie der Ex-Hurrikan zieht, ist von einem markanten Kaltlufteinbruch bis Spätsommer bei uns alles möglich. Und hier kommt der Meteorologe ins Spiel. Nur er kann einschätzen, wie seriös die Prognosen sind und entsprechend vorsichtig formulieren, während Wetter-Apps täglich zum Teil völlig konträre Ergebnisse liefern.
Nicht zuletzt deshalb wird Wetter-Apps gerne nachgesagt, oft eine etwas pessimistische Sicht auf die Zukunft zu pflegen. Schließlich will man niemanden ohne Schirm aus dem Haus schicken, wenn er doch irgendwann im Laufe des Tages im Regen stehen könnte.
Das ist nicht der Grund! Es ist nicht die Unsicherheit mit zunehmender Vorhersagedauer, sondern dass die Wettermodelle ab rund 7 Tagen ihre Modellauflösung deutlich verringern. Dann schmieren die Modelle Niederschlag über eine viel größere Fläche, sodass die Wolken- und Niederschlagssymbole zunehmen. Wenn es weniger als 7 Tage sind, entscheidet ebenfalls die Auflösung des Wettermodells. Das ist aber nicht unbedingt pessimistisch (Modelle sind neutral), sondern realistischer als für einen Ort Sonnenschein zu zeigen und für den Nachbarort Regen, wenn es sich um eine Schauerwetterlage handelt.
Schlussfolgerungen:
– Wetter-Apps sollen das Wetter für einen Punkt zeigen. (Eingabe des Ortes, Koordinaten oder PLZ)
– Die zugrundeliegenden Wettermodelle haben jedoch weder an jedem der Orte eine Messstation noch so viele Punkte im Modell.
– Bei Wetter-App-Prognosen handelt es sich also um interpolierte Werte. Der Ist-Zustand ist umso besser erfasst, je näher eine (offizielle) Wetterstation liegt, und hängt davon ab, ob sich der eingegebene Ort im Flachland oder hügeligen/gebirgigen Terrain befindet.
– Bei Prognosen wird es noch schwieriger: Niederschlag ist der unsicherste Vorhersageparameter, der je nach Topographie, Wetterlage, Modellauflösung und Zeitraum andere Ergebnisse liefert. Das trifft insbesondere auf Gewitter zu.
– 2m-Temperatur und Wind wird im Flachland oft besser vorhergesagt als im Gebirge, Bewölkung ist dafür wieder viel unsicherer, ebenso Phasenzustände (Schnee, Regen, gefrierender Regen) bei Niederschlägen um den Gefrierpunkt.
– Mit zunehmendem Vorhersagezeitraum nimmt die Genauigkeit der Vorhersage weiter ab, aber auch die Auflösung der Wettermodelle.